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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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gezogenen Wechsel vergleichbar, der nur in London zahlbar ist.«
    Diese kaufmännische Metapher verwirrte Rossignol und bereitete ihm vielleicht auch ein wenig Unbehagen.
    »In Frankreich wird er nicht respektiert«, erklärte Eliza, »denn in Frankreich erachtet man James Stuart für den rechtmäßigen König von England und billigt Wilhelm keinerlei Recht zu, Gräfinnen zu schaffen. Und selbst wenn man es täte, würde man seine Souveränität über Qwghlm bestreiten. Diese Fakten jedenfalls waren Leutnant Bart allesamt neu. Es kostete mich einige Zeit, sie ihm zu vermitteln, denn ich musste dabei natürlich diplomatisch vorgehen. Als er alles aufgenommen und überlegt hatte und sich zum Sprechen anschickte, war die Sorgfalt, mit der er jede Äußerung bedachte, außergewöhnlich; er glich einem Lotsen, der sein Gefährt durch einen Hafen voller treibender Feuerschiffe manövriert, und hielt alle paar Worte inne, um gleichsam zu loten oder den neuesten Wechsel der Windrichtung abzuschätzen.«
    »Vielleicht ist er letztendlich aber auch nur nicht sonderlich intelligent«, gab Rossignol zu bedenken.
    »Das zu beurteilen überlasse ich Euch, denn Ihr werdet ihn in Kürze kennen lernen«, sagte Eliza. »Wie auch immer, meine Lage ist die gleiche. Ich will sie Euch in aller Offenheit schildern. Das Geld, das Barts Männer mir abgenommen hatten, war Gold oder, wie manche das nennen, harte Währung , überall auf der Welt für jederlei Gut oder Dienst auszugeben und auf beiden Seiten des Ärmelkanals äußerst begehrt. Dergleichen ist inzwischen wegen des Krieges schrecklich rar. Da ich so nahe bei Amsterdam wohnte und so selten mit harter Währung zu tun hatte, hatte ich dies völlig aus dem Blick verloren. Wie Ihr wisst, Bon-Bon, hatte Ludwig XIV. unlängst sämtliche Einrichtungsgegenstände aus massivem Silber in seinen Grands Appartements einschmelzen lassen und somit Vermögensgegenstände im Werte von anderhalb Millionen livres tournoises buchstäblich flüssig gemacht, um den Aufbau seiner neuen Armee zu bezahlen. Damals, als ich diese
Geschichte hörte, hatte ich sie als innenarchitektonische Laune abgetan, doch mittlerweile denke ich eingehender darüber nach, was sie zu bedeuten hat. Die Adligen Frankreichs haben in den zurückliegenden Jahrzehnten ungeheure Mengen von Metall gehortet, vermutlich als Rückversicherung für den Tag, an dem Ludwig XIV. stirbt und sie sich, so ihre Phantasie, wieder zu alter Macht erheben.«
    Rossignol nickte. »Mit dem Einschmelzen seines Mobiliars wollte Seine Majestät ein Beispiel geben. Bislang sind ihm wenige gefolgt.«
    »Nun waren meine Vermögenswerte – alle in der denkbar liquidesten Form – von Jean Bart beschlagnahmt worden, einem Kaperfahrer, der einen Freibrief besaß, holländische und englische Schiffe auszuplündern und die Erträge der französischen Krone zu übergeben. Wäre ich Holländerin oder Engländerin, wäre mein Geld längst vom französischen Staatssäckel verschlungen worden, und der contrôleur-général, Monsieur le Comte de Pontchartrain könnte nach Belieben darüber verfügen. Da ich aber doch wohl eine französische Gräfin war, hatte man das Geld in treuhänderische Verwahrung gegeben.«
    »Man befürchtete, Ihr würdet gegen die Beschlagnahmung Eures Geldes Einspruch erheben – denn wie kann ein französischer Kaperfahrer eine französische Gräfin bestehlen?«, sagte Rossignol. »Euer nicht ganz eindeutiger Status würde das Ganze zu einer komplizierten juristischen Angelegenheit machen. Die Briefe, die hin und her gingen, waren höchst amüsant.«
    »Es freut mich, dass Ihr Euch amüsiert habt, Bon-Bon. Aber ich stand vor der Frage: Warum nicht meine Rechte in Anspruch nehmen und das Geld zurückfordern?«
    »Gut, dass Ihr diese Frage gestellt habt, Mademoiselle, denn ich und halb Versailles haben sich schon gewundert.«
    »Die Antwort lautet, weil sie es brauchen. Sie brauchen es so dringend, dass sie sich, wenn ich mich zur Wehr setzte, vielleicht gegen mich wenden, mich als ausländische Spionin denunzieren, meine Rechte für nichtig erklären, mich in die Bastille werfen und das Geld nehmen würden. Im Krieg eingesetzt, könnte es Tausende französischer Leben retten – was ist dagegen schon eine falsche Gräfin wert?«
    »Hmmm. Inzwischen ist mir klar, dass Leutnant Bart Euch Gelegenheit bot, etwas Kluges zu tun.«
    »Er wagte nicht, es geradeheraus zu sagen. Aber er gab mir zu verstehen, dass ich eine Wahl hatte. Und dieser

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