Confusion
kleine Herkules, der nicht zögern würde, ein Schiff voller lebendiger Menschen in ein nasses
Grab zu befördern, wenn es sich um Feinde Frankreichs handelte, wollte mich nicht in Ketten in die Bastille geschafft sehen.«
»Ihr habt es also getan.«
»›Das Geld ist natürlich für Frankreich bestimmt!‹, sagte ich ihm. ›Deshalb habe ich mir solche Mühe gemacht, es aus Amsterdam herauszuschmuggeln. Wie konnte ich anders handeln, wo doch le Roi sein eigenes Mobiliar einschmelzen lässt, um französische Leben zu retten und französische Rechte zu verteidigen?‹«
»Das muss ihn erfreut haben.«
»Mehr, als sich mit Worten ausdrücken lässt. Tatsächlich war er dermaßen verblüfft, dass ich ihm die Erlaubnis gab, mich auf die Wangen zu küssen, was er mit großem élan und einem nachhaltigen Duft von Eau de Cologne tat.«
Rossignol wandte den Kopf ab, damit Eliza seinen Gesichtsausdruck nicht sah.
»Ein Teil von mir gab sich immer noch der Vorstellung hin, ich würde mich binnen Stunden auf einem Boot nach Dover befinden, arm wie eine Kirchenmaus, aber frei«, sagte Eliza. »Doch so einfach war die Sache natürlich nicht. Ich durfte noch immer nicht gehen. Denn man hielt mich, wie Jean Bart mir nun mit sichtlichem Bedauern mitteilte, unter dem Verdacht fest, eine Spionin Wilhelms von Oranien zu sein.«
»D’Avaux hatte sich eingeschaltet«, sagte Rossignol.
»Das war der Schluss, den ich aus den Andeutungen zog, die Leutnant Bart machte. Mein Ankläger sei ein sehr bedeutender Mann, der sich in Dublin aufhalte und Befehl gegeben habe, mich unter dem Verdacht der Spionage so lange in Gewahrsam zu halten, bis er nach Dünkirchen kommen könne.«
»Wie lange ist das her?«
»Zwei Wochen.«
»Dann kann d’Avaux jeden Moment hier sein!«, sagte Rossignol.
»Seht Ihr das Schiff da?«, sagte Eliza und lenkte Rossignols Aufmerksamkeit auf ein Schiff der französischen Marine, das an einer anderen Stelle im Hafenbecken vertäut war. »Als ich Euch die Straße entlangreiten sah, kam es gerade um das Ende der Mole herumgefahren.«
»D’Avaux ist also eben erst eingetroffen«, sagte Rossignol. »Wir haben somit wenig Zeit zu verlieren. Bitte erklärt mir kurz, wie Ihr in diesem Haus gelandet seid; denn Ihr habt mir gerade erst erzählt, man habe Euch auf dem Schiff dort festgehalten.«
»Ich hatte mich bereits in einer der Kajüten eingerichtet. Es war praktisch, da zu bleiben. Bart ließ das Schiff dort vor Anker gehen, wo Ihr es jetzt seht, damit er ein Auge darauf haben konnte – sowohl, um mich vor lüsternen französischen Matrosen zu beschützen, als auch um sicherzustellen, dass ich nicht entfloh. In Bordellen und Schnapskaschemmen trieb er ein paar Dienerinnen auf und brachte sie an Bord, damit sie die Kombüsenfeuer unterhielten, Wasser kochten und so weiter. Im Laufe der Wochen bekam ich mit, welche etwas taugten und welche nicht, und warf Letztere hinaus. Nicole, die Ihr eben gesehen habt, erwies sich als die beste. Und ich ließ aus Den Haag eine Frau namens Brigitte kommen, die mir dort zur loyalen Hofdame geworden war. Briefe aus Versailles begannen mich zu erreichen.«
»Ich weiß.«
»Da Ihr sie bereits gelesen habt, kann ich es mir ersparen, ihren Inhalt wiederzugeben. Vielleicht erinnert Ihr Euch an einen Brief von Madame la Marquise d’Ozoir, in dem sie mich einlud – nein geradezu verlangte -, ich solle mich hier, in ihrer Dünkirchener Residenz, wie zu Hause fühlen.«
»Könntet Ihr mir bitte noch einmal Eure Verbindung zu den d’Ozoirs in Erinnerung rufen?«
»Bevor ich in den Adelsstand erhoben wurde, brauchte ich irgendeinen Vorwand, um mich in Versailles aufzuhalten. D’Avaux, der mich überhaupt erst dort platziert hatte, dachte sich eine Tarngeschichte aus, nach der ich als Gouvernante für die Tochter der d’Ozoirs arbeitete und ihnen auf ihren Wanderungen zwischen Versailles und Dünkirchen folgte. Dadurch war es mir leicht möglich, die Küste hinauf nach Holland zu reisen, wenn mich die Geschäfte dorthin riefen.«
»Das klingt, mit Verlaub, ein wenig possenhaft.«
»In der Tat, und den d’Ozoirs war das auch klar; aber ich hatte ihre Tochter gut behandelt, und so war gleichwohl eine gewisse Loyalität zwischen uns entstanden. Deshalb bin ich in dieses Haus eingezogen.«
»Andere Dienstboten?«
»Brigitte ist gekommen und hat noch eine gute Frau mitgebracht.«
»Ich habe auch Männer gesehen.«
»Zu meiner ›Bewachung‹ hat Leutnant Bart zwei seiner
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