Confusion
immer, als er die Galerie erreichte, roch er Eau de Cologne und legte die Linke an die Scheide seines Rapiers (eine Waffe, die aus der Mode gekommen war, in deren Gebrauch ihn jedoch Antoine Rossignol, sein Vater und Vorgänger als Kryptoanalytiker des Königs, unterwiesen hatte; er würde den Teufel tun und sich zum Narren machen, indem er versuchte, das Fechten mit einem Stoßdegen zu lernen) und zog es ein, zwei Zoll heraus, nur um sicherzugehen, dass es nicht klemmte, wenn es darauf ankam. Gleichzeitig schritt er weiter und selbstbewusster aus. Denn herumzuschleichen hieße, irgendwelche bösen Absichten einzugestehen und Präventivschläge herauszufordern. Während er die Galerie entlangmarschierte, nahm er Stühle, Büsten auf Sockeln, Gemäldestapel, Teppichhügel und andere Hindernisse zur Kenntnis, damit er nicht darüber stolperte, falls es zu einem Handgemenge kam. Vor ihm, zur Linken, zweigte eine weitere, ganz ähnliche Galerie ab; dort steckte der Mann mit dem Cologne. Rossignol verlangsamte seinen Schritt, wandte sich nach links und schob sich gerade so weit um die Ecke, dass er den anderen zu sehen bekam. Wegen dieser langsamen Bewegung im Krebsgang gingen Rossignols rechter Arm und seine Schulter dem Rest seines Körpers um die Ecke voran, was sich insofern zu
seinem Vorteil auswirkte, als er das Rapier ziehen und sich um die Ecke auf einen etwaigen Feind stürzen konnte, während sein Körper gegen jeden mit der Rechten geführten Gegenangriff gedeckt war. Leider jedoch hatte der andere dies alles vorausgesehen und sich umgruppiert, indem er auf die andere Seite des Nebenflurs gewechselt war und Rossignol den Rücken zukehrte , sodass er so tun konnte, als studiere er eine dort an der Wand hängende Landschaft; dadurch war ihm die Ecke nicht im Weg, und seine rechte Schulter war Rossignol am nächsten. Eine leichte Drehung des Kopfes brächte Rossignol in seinen peripheren Sehbereich. Er hatte den rechten Arm diagonal über die Vorderseite seines Körpers gelegt und dann mit der Linken den Ellbogen umfasst, um den Arm in dieser Position zu halten; dadurch lag seine rechte Hand direkt neben, wenn nicht gar am Heft des kurzen Säbels, der an seiner Hüfte hing. Die Pose war gezwungen und künstlich, aber gut durchdacht; er könnte im Nu ziehen, sich umdrehen und einen Rückhandhieb durch die ganze Breite des Gangs führen. Somit herrschte eine Pattsituation.
Das Ganze war zugegebenermaßen auch lächerlich. Rossignol für sein Teil hatte seit Jahren niemanden getötet. Jean Bart (denn es musste sich um Jean Bart handeln) tat es vermutlich häufiger, aber niemals in den Häusern reicher Leute. Wäre es irgendwie zum Schwertkampf gekommen, wären sie so höflich gewesen, ihn draußen auszutragen. Doch sie kannten einander nicht. Es schadete nichts, Vorsichtsmaßregeln zu treffen, zumal wenn sie nur darin bestanden, in einer bestimmten Haltung dazustehen und eine gewisse Distanz zu wahren. Diese Maßnahmen erforderten nicht einmal bewusstes Denken; Rossignol hatte über irgendetwas nachgedacht, was er in einem von d’Avaux’ Briefen gelesen hatte, und Bart (so durfte er getrost annehmen) dachte daran, Eliza zu vögeln, und beide Männer hatten sich bei Planung und Ausführung all dieser Manöver auf die Gewohnheit verlassen.
Bart trug die Tracht eines Marineoffiziers, die sich nicht allzu sehr von dem unterschied, was irgendein vornehmer Zivilist tragen würde, nämlich Kniehose, Weste, darüber ein Justaucorps, Perücke und Dreispitz. Die (zu Blau tendierende) Farbe der Tracht, ihre Verzierung (Besätze, Paspeln, Epauletten, Aufschläge) und die Auswahl der Federn, die aus den Falten seines Hutes sprossen, kennzeichneten ihn als Marineleutnant. Er war nicht besonders groß und, wie Rossignol etwas verspätet feststellte, auch nicht besonders schlank (der Schnitt seiner Jacke hatte dies zunächst kaschiert). Nach den in diesem Teil
Frankreichs geltenden Begriffen war er dunkelhäutig. Gerüchten zufolge war er sehr niedriger Herkunft – seine Leute waren schon seit einer Ewigkeit Fischer und wahrscheinlich auch Piraten in der Gegend von Dünkirchen gewesen. Falls das stimmte, konnte man nur darüber spekulieren, was für Mischlingsblut in seinen Adern pulsierte. Wie viele Männer, die klein, stämmig und von zweifelhafter Herkunft waren, legte er großen Wert auf sein Äußeres. Er trug die Allongeperücke des großen Sonnenkönigs (ein bisschen altmodisch, aber das galt auch für Rossignols Rapier)
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