Confusion
Perspektive ist.«
Während sie eine Steintreppe emporstiegen, wehte ihnen kühlere, salzige Luft entgegen. »Erzähl mir von mehr Komplikationen«, sagte Jack.
»Du gehst sicher davon aus, dass meine Leute immer noch dasselbe Land bearbeiten, das ihnen vor Jahrhunderten vermacht wurde. Dieses Land haben wir jedoch im Zuge der Entwicklungen, von denen ich gesprochen habe, verloren, und meine überlebenden Verwandten sind größtenteils nordwärts geflohen, um näher bei den Schmugglerhäfen und weiter von Edo entfernt zu sein. Edo hat jetzt eine Million Einwohner.«
»So groß kann eine Stadt doch gar nicht sein.«
»Es ist die größte Stadt der Schöpfung und kein Ort für Christen.«
Sie hatten die Treppe vollends erklommen und drängten sich nun in ein Gemach, das auf einen Balkon hinausging. Vom Geländer dieses Balkons – dem höchsten Punkt des ganzen Palastes – aus konnten sie hinunter auf das ranken- und blumenbewachsene Kliff und hinaus auf den Meeresarm blicken, wo ein Großteil der Piratenflotte der Königin vor Anker lag. Die Schiffe schienen mitten in der Luft zu schweben,
so klar war das Wasser, und unter ihnen manövrierten Schwärme leuchtender Fische durch Korallenformationen.
»Schaut nur!«, sagte die Königin und machte eine ausladende Bewegung mit einem reifbedeckten Arm. Eigentlich sagte sie etwas auf Malabari, aber es bedeutete ganz offensichtlich »Schaut nur«, und Dappa machte sich nicht die Mühe, es zu übersetzen.
Unterhalb von ihnen war eine sonderbare Art von Frachtgutbeförderung im Gange: Zwei Mal zwei kleine Boote waren jeweils querab zueinander mit Baumstämmen zusammengebunden, die den Zwischenraum zwischen ihnen überspannten. Einer dieser improvisierten Katamarane folgte mehrere Längen hinter dem anderen, und der Abstand zwischen ihnen wurde durch einen riesigen, mit dem Schabhobel geglätteten und dunkelorange angestrichenen Baumstamm überbrückt.
Jack hatte Dappa auf Englisch zu Enoch Root sagen hören: »Normalerweise wäre ich nicht so vermessen, Euch in irgendeiner Angelegenheit meinen Rat anzutragen, erst recht nicht, wenn es um Benehmen und Etikette geht – aber ich bitte Euch eindringlich, Sir, fragt die Königin nicht, wie sie an diesen Mast gekommen ist.«
»Ich nehme Euren Ratschlag dankbar an«, sagte Enoch Root.
Es war offensichtlich, dass der Mast gerade von einem Schiff aus der königlichen Flotte hereingebracht worden war: einer Fregatte europäischer Bauart. Sie war das größte Schiff im Hafen, aber lange nicht so groß wie das Schiff, das am Strand von Dalicot gebaut wurde, weshalb der Mast sie klein erscheinen ließ – er war länger als das Deck der Fregatte und musste an Bug und Heck hinausgeragt haben, bevor er losgebunden und auf diese Boote hinuntergelassen worden war.
Die Bootsmannschaften paddelten so tapfer sie konnten auf den Strand zu, obwohl die Hälfte der Männer sich mit Schöpfeimern abmühten; schwallweise spritzte das Wasser von den Booten aus in alle Richtungen und schlug auf der Wasseroberfläche des Hafens auf, nur um bei der nächsten Dünung über die Dollborde wieder zurückzukommen. Jack fragte sich, ob er jeden Augenblick Zeuge eines Unglücks werden würde, bis er Männer in den Booten und am Strand lachen hörte.
Darauf wandte er seine Aufmerksamkeit wieder Gabriel Goto zu. »Wenn die Mitglieder deiner Familie aber zu Landstreichern erniedrigt worden sind, wie kommt es dann, dass sie so viel über Währungsschwankungen wissen – und dass sie dir Briefe auf so gutem Reispapier schreiben?«
»Die kurze Antwort lautet, dass sie immer noch an dasselbe alte Rad gebunden sind, das nicht aufgehört hat, sich zu drehen.«
»Der Schogun will, dass Metall aus dem Boden kommt – und zu diesem Behuf braucht das Haus Mitsui deine Cousins und Neffen.«
»Das ist nicht das Einzige, was den Schogun beschäftigt. Im fernen Norden haben die Russen sich auf den Weg gemacht. Bisher waren es hauptsächlich Abenteurer und Fellhändler, die sich zwischen Vorposten in Kamtschatka, auf den Kurilen und den Aleuten bewegten. Aber jetzt gibt es einen neuen Zaren namens Peter, einen Mann von überragendem Ruf, der sogar schon nach Holland gereist ist, um die Kunst des Schiffsbaus zu erlernen...«
»Ich weiß alles über diesen Peter«, sagte Jack. »Jan Vroom hat an seiner Seite gearbeitet, und Peter wollte, dass er mit nach Russland kommt und dort Schiffe baut. Vroom sah jedoch in van Hoeks Angebot die Möglichkeit, mehr zu verdienen
Weitere Kostenlose Bücher