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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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japanische Katholiken und ein paar spanische Priester. Jesuitenpatres brachten mir Lesen und Schreiben bei. Von christlichen Ronin erlernte ich die Kampfkunst. Irgendwann empfing ich dann die heiligen Weihen und
wurde nach Goa geschickt. Dort lebte ich ein paar Jahre und entwickelte eine gewisse Vertrautheit mit der malabarischen Sprache. Dann wurde ich nach Rom entsandt, wo ich den Petersdom sah und den Ring des Heiligen Vaters küsste. Ich hatte gehofft, der Papst würde mich nach Japan schicken, damit ich dort zum Märtyrer werden könnte, aber er sagte gar nichts zu mir. Ich war am Boden zerstört, und in meiner Nachsicht gegen mich selbst durchlebte ich eine Phase großer Zweifel an meinem Glauben. Schließlich meldete ich mich freiwillig zu einer Reise nach China, um dort als Missionar zu arbeiten und vielleicht den Märtyrertod erleiden zu dürfen. Ich ging an Bord eines Schiffes mit Kurs auf Alexandria – doch auf dem Weg dorthin wurden wir von einer Galeere der Barbarei-Korsaren gekapert. Ich tötete eine erkleckliche Anzahl von ihnen, doch dann schlug mir ein Matrose meines eigenen Schiffs, der sich bei den Türken, die bald seine Herren sein würden, einschmeicheln wollte, von hinten eine Belegklampe über den Kopf und beendete so meinen Kampf. Die Türken nahmen uns mit nach Algier und ließen den Mann, der mich hintergangen hatte, eines langsamen Todes am Haken sterben. Mir boten sie an, als Janitschar auf einer Korsarengaleere zu arbeiten. Ich lehnte ab und wurde stattdessen auf dem Ruderdeck angekettet.«
    Eine Papiertür glitt auf, und aus der Dunkelheit jenseits davon erschienen zwei Ebenholzbrüste und ein Bäuchlein, unmittelbar gefolgt von ihrer Besitzerin: Kottakkal, der Piratenkönigin von Malabar. Hinter ihr kam Dappa, der ebenfalls von der Taille aufwärts nackt war, aber seinen persischen Krummsäbel umgeschnallt hatte. Das war die Erklärung für das undeutliche Gemurmel, das die letzte Viertelstunde durch die Papierwand hindurch zu hören gewesen war: Dappa hatte diese Geschichte für die Königin übersetzt.
    Sie war eine kräftige Frau, ungefähr so groß wie ein durchschnittlicher Europäer, mit breiten Hüften, die ihr eine außergewöhnliche Standfestigkeit verliehen, wenn sie barfuß auf dem Deck eines schlingernden Piratenschiffs stand, darüber hinaus aber auch das Gebären begünstigten – sie war Mutter von vier Töchtern und zwei Söhnen. Sie hatte einen wunderbaren runden Bauch, der von einer glatten, leicht violett-schwarzen Haut umhüllt war. Jack hatte immer die vage, Schwindel erregende Vorstellung, in ihn hineinzufallen, und vermutete, dass andere Männer dasselbe empfanden. Ihre Brüste trugen die Spuren vieler Babys, aber ihr Gesicht war durchaus schön: rund und glatt bis auf eine Schwertnarbe unter einem Wangenknochen, mit geschwungenen
Lippen, die immer ein wissendes Grinsen oder sogar ein höhnisches Lächeln umspielte, und Wimpern so schwarz und dick wie Pinsel. Ihr Kopf schien immer auf einem Stahltablett oder besser einem ganzen Stapel davon zu ruhen, denn jedes Mal wenn die Königin sich hinausbegab, trug sie – zusätzlich zu ihren verschiedenen goldenen Reifen und Ringen – einen Stapel flache Halsketten aus Damaszenerstahl, die über ihren Kopf gingen und sich zu einer Art harter, funkelnder Halskrause auftürmten.
    Jetzt hob die Königin an zu sprechen, und Dappa übersetzte ihre Worte ins Sabir: »Als wir das Goldschiff mit Pater Gabriel, Dappa und Moseh kaperten – Jackshaftoe und den anderen fehlte ja der Mut dieser drei, sie hatten nämlich bereits die Nerven verloren und waren wie verängstigte Ratten ins Wasser gesprungen...«
    Jack machte einen Kratzfuß und murmelte: »Es ist mir wie immer eine Freude, Eure Majestät zu sehen«, aber die Königin beachtete ihn gar nicht und fuhr fort:
    »Jedenfalls waren meine Leute kurz davor, sie umzubringen, denn sie dachten, das würde mir gefallen. Doch dann erkannte Pater Gabriel uns als Malabari und sprach mich auf eine Weise an, die mir noch besser gefiel, sodass ich sie alle am Leben ließ.«
    »Was sagte er?«, fragte Enoch Root.
    »Er sagte: ›Es ist Euer Vorrecht, mir den Kopf abzuschlagen, aber dann kann ich Euch nicht die Geschichte erzählen, wie der Vagabund namens Quecksilber in Kairo seine von langer Hand geplante Rache an einem französischen Herzog nahm und diesen Schatz aus mexikanischem Gold stahl.‹ Also befahl ich ihm, mir diese Geschichte zu erzählen, bevor er umgebracht würde. Und das

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