Confusion
es schon fast vorbei war. Sein Bruder war in das Land unserer Vorfahren zurückgekehrt, um sich den Bergwerken zu widmen und heimlich den christlichen Glauben zu praktizieren. Mein Vater blieb eine Zeitlang in Sakai und versuchte, vom Handel mit dem Ausland zu leben. Doch der geriet zunächst unter die strenge Kontrolle des Schogun und wurde dann nach und nach zum Erliegen gebracht. Die Portugiesen wurden ganz aus Japan verbannt, weil sie immer wieder als Seeleute getarnte Missionare ins Land brachten. Sakai und Kyoto wurden für den Handel mit dem Ausland geschlossen. Lediglich Nagasaki blieb offen, aber auch nur für die Holländer, die sich – als Ketzer – nicht um die Rettung japanischer Seelen vor dem Ewigen Feuer kümmerten und nur unser Geld wollten.
So war aus meinem Vater ein herrenloser Samurai, ein Ronin , geworden – einer aus einem ganzen Heer christlicher Ronin , dessen Existenz auf die eben beschriebene Politik zurückging. Er zog an die entgegengesetzte Küste von Honshu, die gegenüber von China und Korea liegt, und arbeitete als Schmuggler. Er schmuggelte Silber, Pfeffer und andere Waren nach Japan hinein und christliche Flüchtlinge aus Japan hinaus nach Manila.
Nun hatte meine Familie bis dahin keinerlei Kontakt nach Manila gehabt, da wir Silberexporteure waren. Wenn man den Handel in Asien als Feuer betrachtet, dann ist das Silber die Luft, die hineingeblasen wird, um die Flammen auflodern zu lassen, und Manila ist der Blasebalg. Manila ist nämlich der Hafen, den die spanische Galeone, voll beladen mit Silber aus den Minen von Neuspanien, jedes Jahr anläuft. Damit konnten die Minen meiner Familie nicht konkurrieren, und so neigten wir in den vergangenen Generationen eher dazu, mit Macao Handel zu treiben, ebenso wie mit anderen Häfen an der Küste von China – einem riesigen Land, das immer nach Silber giert.
In jener Zeit wollte Japan jedoch in keinem seiner Häfen, nicht einmal in Nagasaki, Schiffe aus Macao anlegen lassen, weil portugiesische Priester, die den Märtyrertod herbeisehnten, Macao als ihren Ausgangspunkt benutzten. Die Verbindungsleute meines Vaters in Macao verschwanden oder gingen nach Manila. Damals war er ohnehin nicht
mehr im Silbergeschäft. Also begann er, zwischen Manila und einem gewissen Schmugglerhafen im Norden Honshus, nahe Niigata, Handel zu treiben. Sein Ruhm verbreitete sich bis nach Rom, und schon bald trafen in Manila die ersten Jesuiten aus Goa im Westen und Acapulco im Osten ein und fragten namentlich nach ihm. Er brachte sie hinauf nach Niigata, wo sie mit japanischen Christen zusammenkamen, die sie in die Berge führten, um im Geheimen das Wort Gottes zu predigen und das Sakrament der heiligen Kommunion zu feiern. Gleichzeitig schleuste mein Vater andere japanische Christen, die vor dieser Verfolgung geflohen waren, in seinem Boot nach Manila, wo es eine große Gemeinschaft solcher Menschen gab und gibt.
So ging es eine ganze Weile. Im Jahr des Herrn 1635 verfügte der Schogun jedoch bei Todesstrafe, dass hinfort kein Japaner mehr die Hauptinseln verlassen dürfe und alle gegenwärtig im Ausland weilenden Japaner innerhalb von drei Jahren zurückkehren müssten. Zwei Jahre später erhoben sich die christlichen Ronin auf Kyushu zu einem großen Aufstand und kämpften ein halbes Jahr lang gegen die Armee des Schogun, bevor sie ausgelöscht wurden. Die noch verbliebenen Christen fielen bald darauf dem Massaker bei der Festung Hara zum Opfer. Mein Vater überlebte nur dank wiederholter Interventionen verschiedener wundertätiger Heiliger, die ich hier nicht aufzählen will, da ich ja weiß, dass Ihr als Ketzer nicht an solche Dinge glaubt, und reiste ein letztes Mal nach Manila, wo er eine junge Japanerin heiratete.
Ich wurde drei Jahre, nachdem Japan sich der Welt gegenüber abgeschottet hatte, in Manila geboren. Als kleiner Junge bat ich meinen Vater, mit mir in seinem Boot hinaufzufahren und mir zu zeigen, woher wir kamen, aber zu der Zeit war er schon ein alter Mann und sein Boot ein von Würmern zerfressenes Wrack. Er begnügte sich damit, Bilder von den Orientierungspunkten zu malen, deren er sich bedient hatte, um von Manila zu seiner Schmugglerhöhle auf Honshu zu segeln. Meine Bemühungen hier – Hundertsieben Ansichten der Überfahrt nach Niigata – sind ein erbärmlicher Abklatsch der Kunstwerke, die er schuf.
Mein Leben ist vergleichsweise ruhig verlaufen. Ich wuchs in Manila auf. Die einzigen Menschen, die ich dort sah, waren
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