Confusion
Daniel.
»Unentwegt«, sagte Daniel, »aber seine Arbeit firmiert unter dem Namen Alchimie. Lange Zeit wurde ich aus seinem Interesse daran nicht schlau; aber schließlich begriff ich, dass er, wenn er Alchimie trieb, versuchte, das Rätsel der zwei Labyrinthe zu lösen.«
»Aber wenn Ihr nach Massachusetts geht, werdet Ihr an Eurem Institut keine Alchimie treiben, nicht wahr, Dr. Waterhouse?«
»Nein, Eure Hoheit, denn ich bin eher von Monaden als von Atomen überzeugt.« Er bedachte Leibniz mit einem kurzen Blick.
»Iiieh, genau das habe ich befürchtet!«, sagte Caroline, »denn die verstehe ich kein bisschen.«
»Ich glaube, wir haben festgestellt«, sagte Leibniz mit sanfter Stimme, »dass Ihr Atome kein bisschen versteht – was für gegenteilige Illusionen Ihr auch immer gehegt haben mögt. Ich hoffe, Eure Hoheit von der Vorstellung befreien zu können, bei der Suche nach dem grundlegenden Bauteilchen des Universums seien Atome eine einfache und naheliegende Wahl, und Monaden seien es nicht.«
»Was ist der Unterschied zwischen einer Monade und einem Atom?«
»Reden wir zuerst darüber, worin sie sich gleichen, denn sie haben vieles gemeinsam. Monaden und Atome sind beide unendlich klein, dennoch besteht alles aus ihnen. Und wenn wir überlegen, wie ein solches
Paradox möglich ist, müssen wir die Interaktionen zwischen ihnen betrachten: im Falle der Atome Kollisionen und Zusammenballungen, im Falle der Monaden Interaktionen von ganz anderer Art, auf die ich gleich kommen werde. Aber in beiden Fällen sind wir gezwungen, das, was wir sehen – wie beispielsweise den Kirchturm -, einzig und allein in Begriffen dieser Interaktionen zu erklären.«
»Einzig und allein, Doktor?«
»Einzig und allein, Eure Hoheit. Denn wenn Gott die Welt gemäß verstehbaren, konsistenten Gesetzen erschaffen hat – und wenn Newton etwas bewiesen hat, dann das -, dann muss sie durch und durch, von oben bis unten, konsistent sein. Wenn sie aus Atomen besteht, dann besteht sie aus Atomen und muss in Begriffen von Atomen erklärt werden; wenn wir in eine Schwierigkeit geraten, können wir nicht plötzlich mit den Händen wedeln und sagen: ›An dieser Stelle findet ein Wunder statt‹, oder: ›Hier führe ich eine völlig neue Kategorie namens Kraft ein, die nichts mit Atomen zu tun hat.‹ Und deswegen mögen weder ich noch Dr. Waterhouse die Atomtheorie, denn wir können nicht erkennen, wie man Phänomene wie Licht, Schwerkraft und Magnetismus mit dem Aufeinanderprallen und Zusammenkleben harter Materieteilchen erklären kann.«
»Heißt das, Ihr könnt sie mithilfe von Monaden erklären, Doktor?«
»Noch nicht. Nicht in dem Sinne, dass ich eine Gleichung niederschreiben könnte, welche die Lichtbrechung oder die Richtung, in die eine Kompassnadel zeigt, in Begriffen von Interaktionen zwischen Monaden voraussagt. Aber ich glaube, dass diese Art von Theorie grundsätzlich stimmiger ist als die Atomtheorie.«
»Madame la Duchesse d’Arcachon hat mir gesagt, Monaden seien kleinen Seelen ähnlich.«
Leibniz zögerte kurz. » Seele ist ein Wort, dass im Zusammenhang mit der Monadologie häufig fällt. Das Wort hat unterschiedliche Bedeutungen, die meisten davon alt und oft von Theologen wiedergekäut. Im Munde von Predigern hat es mehr Missbrauch erfahren als jedes andere Wort, das ich kenne. Und deshalb ist es in der neuen Disziplin der Monadologie vielleicht nicht die klügste Begriffswahl. Aber wir kommen nicht davon weg.«
»Gleichen sie menschlichen Seelen?«
»Überhaupt nicht. Erlaubt mir, Eure Hoheit, den Versuch einer Erklärung, wie das unglückliche Wort Seele in diese Diskussion geraten ist. Wenn ein Philosoph dem Labyrinth die Stirn bietet und sich daranmacht,
das Universum in immer kleinere Einheiten zu unterteilen, weiß er, dass er irgendwann aufhören und sagen muss: ›Von jetzt an unterteile ich nicht weiter, denn ich bin endlich bei der kleinsten, elementaren, unteilbaren Einheit angelangt: dem grundlegenden Baustein aller Schöpfung.‹ Und dann kann er sich nicht mehr drücken und ausweichen, sondern muss endlich gleichsam Farbe bekennen und eine Aussage darüber treffen, wie dieser Baustein beschaffen ist: welche Eigenschaften er hat, und wie er mit allen anderen interagiert. Nun erscheint mir nichts offensichtlicher, als dass die Interaktionen zwischen diesen Bausteinen ungeheuer zahlreich, kompliziert, fließend und subtil sind; den unwiderleglichen Beweis dafür erhaltet Ihr, wenn Ihr Euch
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