Confusion
mehr Segel zu hissen. Und das taten sie folglich auch.
Dadurch steigerten sie ihre Geschwindigkeit um ein oder zwei Knoten und passierten nach drei Tagen die Tsushimastraße, eine Prozedur, die womöglich irgendein teuflischer Ingenieur nur zu dem Zweck erfunden hatte, van Hoek vor Angst verrücktzumachen, denn sie mussten durch eine unübersichtliche und von Strömungen durchzogene, auf Karten jedoch schlecht verzeichnete Rinne segeln, die auf der einen Seite von koreanischen Pirateninseln und auf der anderen von einem Land (Japan) gesäumt war, das zu betreten für einen Ausländer den Tod bedeutete. Die Zeichnungen von Gabriel Gotos Vater nützten ihnen nicht viel, da dieser Ronin ein Boot mit viel geringerem Tiefgang als dem der Minerva gesteuert und ständig küstennahe Kurse gewählt oder sich durch Lücken zwischen Inseln hindurchgequetscht hatte, die für die Minerva zu eng waren.
Jedenfalls kamen sie durch, ließen die Berge Japans an ihrer Backbordseite liegen und wagten sich ins Ostchinesische Meer vor. Sofort meldete der Ausguck Segel an Backbord: ein Schiff, das aus einer weiten Passage zwischen gewissen vorgelagerten japanischen Inseln herauskam und auf einen Kurs beidrehte, der zu ihrem eigenen mehr oder minder parallel lag. Das war sonderbar, da die Seekarten in der Richtung, aus der das Schiff gekommen war, nichts als japanische Inseln zeigten – jenseits davon lagen auf einer Länge von hundert Grad der Pazifische Ozean und dann vage Andeutungen einer vermuteten amerikanischen Küstenlinie. Dennoch war dieses Schiff unverkennbar
europäisch. Um genauer zu sein – wie van Hoek verkündete, nachdem er es eine Zeitlang durch seinen Kieker beobachtet hatte -, es war holländisch. Und das war des Rätsels Lösung. Es gehörte zu jenen holländischen Schiffen, die in den Hafen von Nagasaki einlaufen und vor Deshima Anker werfen durften – einem von einer Mauer umgebenen und bewachten Inselgrundstück in der Nähe dieser Stadt, wo eine Handvoll Europäer für kurze Zeit leben durften, während sie mit den Vertretern des Schogun ihre Geschäfte abschlossen.
Jetzt befahl van Hoek, die holländische Flagge am Besanmast hochzuziehen und aus den Schiffskanonen einen Salutschuss abzufeuern. Das holländische Schiff reagierte, indem es das Gleiche tat, und nachdem mithilfe von Flaggen und Spiegeln verschiedene Signale ausgetauscht worden waren, gingen die beiden Schiffe längsseits zueinander und näherten sich so weit an, dass durch Sprachrohre Worte hin und her gebrüllt werden konnten. Alle an Bord, die schreiben konnten, schrieben emsig Briefe im eigenen oder im Namen derer, die es nicht konnten, denn es war offenkundig, dass dieses holländische Schiff zunächst nach Batavia und dann weiter gen Westen fuhr. Einige Monate später würde es in Rotterdam vor Anker gehen.
Hier verloren sie ihren Alchimisten.
Als klar wurde, dass sie ihre väterliche Aufsicht verlieren würden, spürte Jack, wie Panik in ihm aufstieg, einer Dünung gleich, die sich am Schiffsrumpf empordrückte. Er vermutete allerdings, dass es sich auf die Besatzung nicht gerade Vertrauen erweckend auswirken würde, wenn er zusammenbräche und flennte. Also verhielt er sich, als wäre das längst abzusehen gewesen. Was in gewissem Sinne auch zutraf. Enoch Root hatte während der vergangenen paar Jahre, in denen die Quecksilbertransaktion allmählich Gestalt angenommen hatte, eine übermenschliche Geduld bewiesen; es hatte allerdings auch eine ganze Menge interessante Abwechslungen für ihn gegeben, etwa in den chinesischen und japanischen Barangays von Manila, auf den zahllosen merkwürdigen Inseln der Philippinen und bei der Einsetzung von Mr. Foot als weißem Sultan von Queena-Kootah. Für ihn war es jedoch längst Zeit weiterzuziehen.
Er hatte begonnen, sich für die riesigen, auf holländischen Karten südlich und östlich der Philippinen eingezeichneten Gebiete zu interessieren: Neuguinea, den vermeintlichen Kontinent Australasien, Vandiemensland und die Salomonen, eine Inselkette, die sich in das
auf keiner Landkarte verzeichnete Herz des Südpazifik hinaus erstreckte.
Enoch stand auf dem Oberdeck und wartete darauf, dass seine Kisten und Taschen in das Beiboot hinabgelassen wurden. Wie so oft in stillen Augenblicken griff er in die Tasche seines Reiseumhangs und holte ein komisches Gerät heraus, das eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Spule hatte. Allerdings einer schlecht gemachten, denn sie hatte verdickte Enden und
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