Confusion
»Ich versichere Euch, dass sie aufeinander abgestimmt wurden, wie die Pfeifen einer Domorgel. Wenn dieses Schiff voll beladen ist und wir versuchen, die Hafeneinfahrt zu passieren...«
»Stoßen wir auf diese Wellen... Dann fangen zehn Tonnen Quecksilber an, hin und her zu wogen... Das wird uns zerreißen«, sagte van Hoek.
»Dem kann leicht abgeholfen werden«, sagte Enoch. »Wir brauchen nur hinunterzugehen, die Fläschchen zu öffnen und jede einzelne ganz aufzufüllen, so dass ihr Inhalt nicht mehr hin- und herschwappen kann. Allerdings dürfen wir die Japaner nicht wissen lassen, dass wir ihren Plan durchschaut haben, denn sonst werden sie über uns herfallen. Im Lagerhaus am Strand roch es ölig. Ich bin sicher, in den Wäldern lauern viele Bogenschützen mit schussbereiten Brandpfeilen.«
Es war noch heller Tag, als sie mit dem Umladen fertig waren. Der Samurai, der das Kommando über den Kahn führte, sagte ihnen mit einer flüchtigen Verbeugung Lebewohl und machte sich umgehend
daran, seinen Schatz exotischer Waren sicher an Land zu bringen. Van Hoek gab den Befehl, Vorbereitungen zum Segelsetzen zu treffen, die diesmal allerdings höchst umständlich waren und viel mehr Zeit als sonst in Anspruch nahmen. Unter Deck hatte er von jeder Geschützbedienung einen Kanonier abgezogen und so viele Männer, wie er anderweitig entbehren konnte, mit der Aufgabe betraut, die Quecksilberfläschchen zu entstöpseln und ihren Inhalt so lange von einem ins nächste zu gießen, bis sie alle randvoll waren. An Bord eines Schiffes gab es immer Pech und schwarzes Zeug zum Abdichten von Ritzen, und so wurde jedes Fläschchen auf diese Weise neu versiegelt. Eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang gab van Hoek den Befehl, die Anker zu lichten, eine Prozedur, die erst fertig war, als der Hafen schon in Zwielicht getaucht war.
Darauf folgten viele Stunden verrückter, düsterer Plackerei. Es war Vollmond (das hatten sie lange im Voraus so geplant, um während der kniffligen Teile der Fahrt besseres Licht zu haben), und er stand hell leuchtend am kalten Himmel. Als sie die Hafeneinfahrt passierten, versammelten sich alle Schiffsoffiziere in Enochs Kajüte, um das eine Quecksilberfläschchen, das unverändert geblieben war, zu beobachten; an einem bestimmten Punkt, als die rhythmischen Wellen gegen den Rumpf zu schlagen begannen, schien es zum Leben zu erwachen und warf sich hin und her, als wäre irgendein Dschinn in ihm gefangen und versuchte, sich den Weg ins Freie zu erkämpfen.
Genau an diesem Punkt mussten die Japaner erkannt haben, dass ihre Falle nicht nach Plan zugeschnappt war, denn sie kamen in Langbooten gefahren, auf denen die Flammen vieler brennender Pfeile loderten. Doch van Hoek war bereit. Auf Deck hatten die Takler sämtliche Untersegel, die die Minerva zu bieten hatte, leise segelfertig gemacht und brachten sie, kaum dass sie vom Ufer her die Kriegstrommeln schlagen hörten, vor den Wind. Unter Deck war jede Kanone mit Traubenschüssen geladen worden. Als die Minerva erst einmal Fahrt aufgenommen hatte, mussten die japanischen Boote die Hoffnung aufgeben, sie einzuholen, und die wenigen, die näher an sie herankamen, wurden von ihren Kanonen zurückgeschlagen. Die etwa sechs brennenden Pfeile, die ihr Ziel trafen, blieben alle im Teakholz stecken und wurden rasch von Offizieren mit Eimern voll Sand und Wasser ausgelöscht. Mithilfe des Mondlichts ließen sie das Land und ihre Verfolger bald hinter sich.
Als am nächsten Morgen die Sonne über Japan aufging, kam von
Westen her ein »Soldatenwind« auf – ein Wind also, der im rechten Winkel zu ihrem südlichen Kurs wehte und deshalb so leicht zu handhaben war, dass sogar Soldaten die Segel hätten trimmen können. Dennoch hielt van Hoek ihre Geschwindigkeit zunächst gedrosselt, denn er fürchtete, die Fläschchen könnten, wenn sie in schwere See kämen, in ihrer Strohverpackung umherrutschen. Während die Miner va sich durch verschiedene Arten von Wellen hindurchkämpfte, strich van Hoek kreuz und quer über ihre Decks, erspürte, einem Hellseher gleich, die Bewegungen der Fracht und nahm immer wieder Verbindung mit dem Geist Jan Vrooms auf (der ein Jahr zuvor an Malaria gestorben war). Sein Urteil lautete natürlich, dass sie die Fläschchen schlecht verstaut hätten und dass alles noch einmal von neuem verpackt werden müsste, sobald sie nach Manila kämen, dass sie aber angesichts der Bedrohung durch Piraten und Taifune keine andere Wahl hätten, als
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