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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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erwarteten es. »Das habe ich jedenfalls von Surendranath gelernt, und ich hoffe, dass es in diesem Fall Wirkung zeigt.«
    Jack bemerkte, dass Moseh, während er das sagte, an dem Fetzen indianischer Perlenstickerei herumfingerte, den er von seinen Manhatto-Ahnen geerbt hatte. Das war etwas, was Moseh immer dann geistesabwesend tat, wenn er fürchtete, über den Tisch gezogen zu werden. Jack beschloss, es nicht zu erwähnen.
    Nach zwei Wochen mühsamer Fahrt entlang der Küste von Kalifornien hatten sie den Wendekreis des Krebses überquert und am Neujahrstag 1701 das kahle Vorgebirge von Cabo San Lucas umschifft. Dann hatten sie einen Kurs genau nach Südosten eingeschlagen, um an der Öffnung des Golfs von Kalifornien vorbeizusegeln, eine Reise, die schließlich mehrere Tage gedauert hatte, da der Virazon, der Küstenwind aus dem Nordwesten, abgeflaut war. Schließlich hatten sie das Inseltrio der Drei Marias gesichtet, das vor dem knochigen Ellbogen Neuspaniens, dem Cabo Corrientes oder Kap der Strömungen, lag. Die zwei darauffolgenden Tage waren ziemlich angespannt gewesen. Diese zwei Kaps (San Lucas und Corrientes) bildeten die Torpfosten am Eingang zu diesem langen, schmalen Gewässer,
das sich zwischen Niederkalifornien und Neuspanien erstreckte und von den Leuten, die Kalifornien immer noch für eine Insel hielten, Meerenge, von den anderen dagegen Golf genannt wurde. Ob nun Meerenge oder Golf, die drei Marias hatten nahe der Einfahrt eine beherrschende Position inne. Dennoch lagen sie so weit im Norden, dass sie nicht mehr ins Hoheitsgebiet der spanischen Behörden in Acapulco fielen. Folglich überwinterten englische und französische Piraten gerne hier. Zu dieser menschlichen Gefahr kamen außerdem noch gewisse natürliche: Die Drei Marias waren durch ausgedehnte Untiefen fast mit Cabo Corrientes verbunden. Selbst wenn es den Männern gelungen wäre, die neuesten spanischen Seekarten von der Manila-Galeone zu retten – was nicht der Fall war -, hätten diese ihnen kaum etwas genützt, da die mächtigen Strömungen, die sich zwischen den beiden Kaps in die Straße oder den Golf hineinund wieder herausbewegten, die Wassermassen mit jedem Gezeitenwechsel erneut verschoben. Die einzigen Menschen auf der Welt, die geschickt genug wären, ein Schiff in diesem Gebiet zu steuern, waren die bereits erwähnten Piraten – falls es denn welche gab. Falls es welche gab und es sich um Engländer handelte, wären sie vielleicht natürliche Verbündete der Minerva , vielleicht aber auch nicht. Falls es sich um Franzosen handelte, wären sie mit Sicherheit Feinde.
    Doch eine nervenaufreibende Umrundung von Maria Madre, Maria Magdalena und Maria Cleofas hatte nichts weiter zum Vorschein gebracht als ein paar zerfallende Biwaks, von denen manche verlassen und manche von Rumpfmannschaften erstaunter armer Teufel bewohnt waren, die in halbherzigen Versuchen, auf sich aufmerksam zu machen, Schüsse in die Luft abfeuerten. »Die diesjährige Ausbeute an Piraten – falls es überhaupt welche um Kap Hoorn geschafft haben – überwintert wohl auf den Galapagosinseln«, hatte van Hoek eines Abends in der Messe gesagt, als sie das Fleisch von ein paar Schildkröten aßen, die vom Beiboot aus gefangen worden waren.
    »Die einzigen Piraten sind wir«, hatte Dappa daraufhin bemerkt. Das hatte van Hoek nicht besonders gefallen, bei Elizabeth de Obregon und Edmund de Ath jedoch durchaus einen gewissen Eindruck hinterlassen. Sie hatten sich früh entschuldigt, sich an die Heckreling zurückgezogen und eine weitere in der scheinbar unendlichen Reihe von undurchsichtigen Besprechungen abgehalten. »Sie werden die ganze Nacht ihre verdammten Briefe neu schreiben«, hatte Jack vorausgesagt.

    Mehr Besprechungen und mehr neu geschriebene Briefe waren am nächsten Tag gefolgt, als sie vor Maria Madre (der größten der drei Inseln) Anker geworfen und mithilfe des Beiboots schwere Gegenstände zwischen der Minerva und dem Strand hin und her transportiert hatten. Elizabeth und Edmund waren die ganze Zeit in ihren Kajüten eingeschlossen gewesen, und die Fracht des Beiboots war mit Segeltuch zugedeckt worden, sobald sie in Sichtweite ihrer Luken gekommen war. Der Zutritt zum Laderaum war für sie verboten. Sie hatten keine Möglichkeit herauszufinden, was da vor sich gegangen war. Die offenkundige Erklärung lautete, dass ein Teil des Quecksilbers an Land gebracht und vergraben worden war und dass stattdessen Steine von der Insel als Ballast

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