Confusion
dienten. Genauso gut konnte es aber das Täuschungsmanöver eines Betrügers sein: Quecksilberfläschchen, die an Land gingen und gleich darauf zurückkamen, um wieder an ihren Plätzen im Laderaum verstaut zu werden.
Derselbe Vorgang war zwei Tage später am Kap der Strömungen selbst wiederholt worden. Erst danach hatte van Hoek den Befehl gegeben, auf den alle gewartet hatten, nämlich dieses Kap hinter sich zu lassen und vor dem Virazon an der Küste entlang in südöstliche Richtung nach Neugalizien zu segeln – den nördlichsten Teil der Küste, der richtig besiedelt war. Die Berge und Vulkane dieses Landes wirkten leer und kahl, aber nachdem die Sonne untergegangen war, sahen sie auf einem hohen, weit entfernten Gipfel ein Signalfeuer lodern und wussten nun, dass sie von dem dort aufgestellten Wachposten gesehen worden waren. Das bedeutete, dass jetzt ein Reiter im gestreckten Galopp nach La Ciudad de México unterwegs war, eine Reise von fünfhundert Meilen durch schreckliche Gebirge, um die Nachricht zu überbringen, dass von Westen her ein großes Schiff gekommen war. Elizabeth de Obregon zufolge würde die Stadtbevölkerung (die hauptsächlich aus Mönchen und Nonnen bestand, da in der Stadt alles Land der Kirche gehörte) anfangen, rund um die Uhr zu beten, sobald sie diese Nachricht vernahm, und würde nicht aufhören, bis Briefe von anderen Wachposten weiter unten an der Küste eintrafen, die bestätigten, dass es tatsächlich die Manila-Galeone war.
Natürlich war sie es in diesem Fall nicht, und deshalb würde in den Briefen etwas anderes stehen. Als die einzigen beiden Überlebenden dieser Katastrophe waren Elizabeth und Edmund zwangsläufig die Verfasser dieser Briefe. Van Hoek schrieb außerdem einen Bericht, als Gefälligkeit dem Vizekönig gegenüber. Vieles hing davon ab, wie der
genaue Wortlaut der Briefe war und wie die Rolle der Minerva darin erklärt wurde. Die beiden Überlebenden hatten einen Großteil der Fahrt vom Goldenen Tor zum Cabo San Lucas damit zugebracht, sie zu schreiben und wieder umzuformulieren, und hatten wenige Minuten, bevor die Dokumente in das Beiboot gelegt und an Land geschickt wurden, noch Änderungen daran vorgenommen. Die Minerva war am Hafen von Chiamela, der zwar groß und durch Inseln geschützt, aber für Schiffe mit starkem Tiefgang zu flach war, vorbeigekreuzt und in den darauffolgenden Stunden die Küste hinunter zu dem Tiefwasserhafen von Navidad gesegelt. Inzwischen musste dem Alkalden von Chiamela, der sie den ganzen Weg über zu Pferde verfolgte, klar sein, dass dies keine Manila-Galeone war und dass irgendetwas schiefgegangen sein musste. Aber erst, als das Beiboot der Minerva in Rufweite von Navidad kam, erfuhren all jene, die die Reise nicht miterlebt hatten, was auf hoher See passiert war. Als diese Nachricht schließlich ans Ufer gelangte, brach dort ein ihrer Tragweite entsprechendes Jammern, Fluchen, Beten und (am Ende) Glockenläuten aus. Moseh fuhr vor lauter Einfühlung zusammen und wandte seine Aufmerksamkeit dann wieder Jack zu.
»Obwohl sie praktisch unsere Gefangenen waren, hätten Ed und Elsie (hier benutzte er Jacks Namen für die beiden Passagiere) zu uns sagen können: ›Ihr Männer auf der Minerva seid dem Hungertod nah, euer Schiff muss instand gesetzt werden, eure Fracht ist wertlos, außer an den Bergwerkseingängen von Neuspanien und Peru. Nur in den großen Häfen des Königs von Spanien wie Acapulco, Panama und Lima habt ihr überhaupt eine Aussicht, euer Quecksilber gegen das einzutauschen, was ihr so dringend braucht. Wenn diese Häfen euch verschlossen sind, werdet ihr auf eine der wenigen erbärmlichen Pirateninseln verbannt sein, denn in eurem jetzigen bedauernswerten Zustand habt ihr nur eine geringe Chance, Kap Hoorn zu umschiffen. Ein paar Worte auf Pergament, von uns unterzeichnet und versiegelt, entscheiden darüber, ob ihr als Helden willkommen geheißen oder als hundsgemeine Piraten davongejagt werdet.‹«
»Das hätten sie sagen können«, pflichtete Jack ihm bei. »Haben sie aber nicht.«
»Haben sie nicht. Wenn sie es gesagt hätten, hätte das bedeutet, dass wir in Verhandlungen stehen, was nach Kräften vermieden wurde. Bevor also das Thema überhaupt angeschnitten wurde, habe ich den Kabbalisten gegeben und Ed und Elsie glauben gemacht, ich sei nur ein Botenjunge
für ein ganzes Heer von Zauberern und Alchimisten auf den Salomoninseln. Das und die geheimen Quecksilberdepots, die wir auf Maria Madre und
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