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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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mit voller Absicht, schaute dabei erst Jack, dann Moseh in die Augen und suchte bei jedem nach Anzeichen eines schlechten Gewissens. Dieser Art von Prüfung war Jack unzählige Male in seinem Leben unterzogen worden, zuerst von den Puritanern in englischen Landstreicherlagern und im weiteren Verlauf von diversen Papisten, die danach gierten, ihn all seine interessanten Sünden bekennen zu hören. Er erwiderte de Aths Blick ganz direkt, und Moseh schaute den Belgier mit einer sorgenvollen Miene an, in der keine Spur von Schuld oder Nervosität zu finden war. »Also gut«, sagte de Ath mit einem schwachen, Entschuldigung heischenden Lächeln. »Dann bleibt nur noch...«
    »Elizabeth de Obregon!«, rief Moseh aus, soweit ein Flüstern überhaupt ein Ausruf sein konnte.
    »Aber sie war Eure Jüngerin «, sagte Jack.
    »Judas war auch ein Jünger«, sagte de Ath ruhig. »Jünger können gefährlich sein – vor allem wenn sie nicht ganz richtig im Kopf sind. Als Elizabeth in ihrer Kajüte auf der Minerva wieder zu sich kam, war mein Gesicht das erste, das sie sah. Ich glaube inzwischen, dass es sie irgendwie in ihren Albträumen heimsuchen muss und dass sie versucht, es mit Feuer auszutreiben.«
    »Aber wir dachten...«
    »Ihr habt Euch vorgestellt, ich übte irgendeinen finsteren Einfluss auf eine leicht zu beeindruckende Seele aus – das weiß ich«, sagte de Ath. »In Wirklichkeit habe ich mich um einen Menschen gekümmert, der an Seele oder Leib krank war. Seit der verheerenden Expedition zu den Salomoninseln war sie ein bisschen verrückt gewesen – eingesperrt in ein Nonnenkloster in Manila. Schließlich traf ihre Familie in Spanien Vorkehrungen dafür, sie nach Hause zu holen, was erklärt, wie sie auf die Manila-Galeone kam. Dem äußeren Anschein nach war sie völlig normal. Aber das Feuer auf der Galeone verbrannte alles, was von ihrem gesunden Menschenverstand noch übrig war. Indem
ich sie mit einer Opiumtinktur behandelte und immer an ihrer Seite blieb, konnte ich, solange wir an Bord der Minerva waren, ihre Verrücktheit unter Kontrolle halten. Als ich jedoch der Cargador für Euer Unternehmen wurde, führten meine Verpflichtungen mich hinunter nach Lima. Elizabeth kam hierher nach La Ciudad de México. Leider ist sie unter den Einfluss gewisser fanatischer Jesuiten und Dominikaner geraten. Kirchenmänner dieses Schlags verabscheuen Leute wie mich, weil ich höflich bleibe, wenn ich mit Protestanten rede. Ich fürchte, dass sie ihr keine Ruhe gelassen haben und sie ihnen in ihrer Verrücktheit Dinge über mich gesagt hat, die Eingang in die riesigen, allwissenden Annalen des Consejo de la Suprema y General Inquisición gefunden haben. Der Inquisitor will mich und damit auch jeden anderen Jansenisten als Häretiker hinstellen. Und bis er das geschafft hat, möchte er, dass ich Worte äußere, die euch beide auf den Scheiterhaufen bringen.«
    Jack seufzte. »Jetzt bin ich froh, dass wir Euch nicht zu unserem Fest eingeladen hatten – mit Euch zu reden ist so deprimierend.«
    Edmund de Ath versuchte, mit den Achseln zu zucken, aber das tat sehr weh und ließ ihn aussehen wie einen Holzschnitt in einem Anatomiebuch, das Jack einmal in Leipzig hatte durch die Luft fliegen sehen. Als er wieder sprechen konnte, sagte er: »Das ist ganz gut so – mein Glaube würde mir nicht erlauben, an einem Laubhüttenfest teilzunehmen, auch wenn Ihr es geschickt als Hochzeitsfest getarnt habt.«
    Moseh verschränkte seine Finger und streckte die Arme aus, was ein geräuschvoller Vorgang war. »Ich gehe jetzt ins Bett«, sagte er. »Wenn sie nach Gründen suchen, Euch zu verbrennen, Edmund, und Ihr ihnen keine gebt, folgt daraus, dass Jack und ich bald von der Decke einer Folterkammer hängen werden, während Schreiber mit in Tinte getauchten Federkielen unter uns stehen. Wir brauchen unseren Schlaf.«
    »Wenn einer von uns zusammenbricht, werden wir alle drei brennen«, sagte de Ath. »Wenn wir aber alle drei standhaft bleiben, glaube ich, dass sie uns gehen lassen.«
    »Früher oder später wird einer von uns zusammenbrechen«, sagte Jack müde. »Diese Inquisition ist geduldig wie der Tod. Nichts kann sie aufhalten.«
    »Nichts«, sagte de Ath, »nur die Aufklärung.«
    »Und was ist das?«, fragte Moseh.
    »Es klingt wie einer dieser dämlichen Katholizismen: die Verkündigung, die Erscheinung und jetzt die Aufklärung«, sagte Jack.

    »Es ist nichts dergleichen. Wenn meine Arme mir gehorchten, würde ich Euch ein paar

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