Confusion
würde, die der Inquisitor gar nicht vermutet hatte, ja sich nicht einmal hatte träumen lassen – auf diese Weise waren angeblich ganz neue Kategorien von Sünden entdeckt oder erfunden worden. Die einzige Vorschrift, die Diego de Fonseca in seinem Gefängnis durchgesetzt hatte, war die, dass die Insassen es nicht verlassen durften, und selbst mit dieser Vorschrift würde er es für ein paar Stunden oder eine Nacht nicht so genau nehmen, wenn man ihm versprach wiederzukommen.
Folglich hatte Jack, während er in der Sonne des Gefängnishofes lag und sich von verschiedenen Foltersitzungen erholte, schon oft Gelegenheit gehabt, seinen Mitinsassen zu lauschen, wie sie sich über die finsteren Ruhmestaten der Inquisition ausließen. Bei jeder Gelegenheit erzählten sie die Geschichte der Autodafés von 1673 oder 1695, wie viele verbrannt und wie viele nur gedemütigt worden waren.
Selbst wenn man gewohnheitsmäßige Übertreibungen abzog, musste man zu dem Schluss kommen, dass ein Autodafé ein grandioses Ereignis war, etwas, was im Leben eines normalen Menschen nur ein oder zwei Mal vorkam, ein Spektakel, für das Peons tagelange Reisen auf sich nehmen würden.
Das alles trug nicht gerade zur Beruhigung bei – bis ein oder zwei Wochen nach de Aths Ankunft bekannt wurde, dass der Inquisitor in zwei Monaten, also kurz vor Weihnachten, ein Autodafé geplant hatte. Es war klar, dass solch ein pompöses Schauspiel nicht mehr verlegt werden konnte, wenn erst einmal ein Datum dafür festgesetzt worden war; wenn also die drei Gefangenen von der Minerva es schafften, bis Mitte Dezember durchzuhalten, würden sie wahrscheinlich bestraft und dann freigelassen. Bis dahin war für den Inquisitor freilich der Anreiz groß, ihren Widerstand zu brechen.
Ein einzelner begabter Foltermeister, der keine bürokratischen Auflagen zu erfüllen hatte, hätte Jack, Moseh und Edmund vermutlich innerhalb weniger Minuten dazu bringen können, alles zu sagen, was er von ihnen hören wollte. Die Folter der Inquisition dagegen war schwerfällig und an Vorschriften gebunden. Ein Heer von Ärzten, Schreibern, Bütteln, Advokaten und Inquisitoren musste anwesend sein, und allem Anschein nach war es gar nicht so einfach, in den Kalendern so wichtiger Leute freie Tage zu finden. Foltersitzungen wurden eine Woche im Voraus festgesetzt und dann in letzter Minute annulliert, weil ein wichtiger Beteiligter an Fieber erkrankt oder gar gestorben war.
Ungeachtet dieser Schwierigkeiten rammten Männer Jack im Laufe des November ein Stück Gaze die Kehle hinunter bis zum Magenausgang und gossen dann Wasser hinein, bis sein Unterleib anschwoll und er das Gefühl hatte, dass in seinem Inneren Schießpulver brannte und seine Eingeweide mit Rauch und Feuer füllte. Edmund de Ath wurde an einen Tisch gefesselt, wo man Gurte so lange um verschiedene Teile seines Körpers festzog, bis die Haut unter dem Druck platzte.
Moseh dagegen ging in die Folterkammer und sah, als er eine halbe Stunde später wieder herauskam, recht passabel aus, ja geradezu gut und so wenig mitgenommen, dass Jack Lust bekam, ihm ein bisschen von seinen eigenen Schmerzen abzugeben, als er herüberschlenderte und sich zu Jack und Edmund de Ath in den unregelmäßigen Schatten der Ranken begab. »Ich habe gestanden«, verkündete er.
»Ein Häretiker zu sein?!«
»Geld zu besitzen«, erwiderte Moseh.
»Ich wusste nicht, dass du dessen beschuldigt wurdest.«
»Aber wenn man in der Hand des Heiligen Offiziums ist, weiß man nie. Man muss es einfach durch stille Betrachtung herausfinden und ihnen dann das Geständnis geben, das sie haben wollen. Ich war schrecklich langsam darin. Aber gestern fiel es mir endlich wie Schuppen von den Augen...«
»Durch stille Betrachtung?«
»Nein, leider war es etwas prosaischer. Diego de Fonseca kam zu mir in die Zelle und bat mich um ein Darlehen.«
»Hmmm, ich wusste, dass er schlecht bezahlt wird, aber dass er seine eigenen Gefangenen anpumpt, höre ich jetzt zum ersten Mal«, sagte Edmund de Ath.
»Die Aguaciles haben dich direkt von Acapulco in dieses Gefängnis gebracht – du brauchtest in La Ciudad de México gar nichts einzukaufen«, sagte Jack. »Wir waren jedoch ein oder zwei Mal hier und haben den Bergwerksbesitzern Quecksilber verkauft. Lebensmittel sind sehr billig, was erklärt, dass am Stadtrand so viele Landstreicher leben. Aber die Knappheit aller anderen Güter und das Überangebot an Silber führen dazu, dass es hier teuer ist, einen
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