Confusion
hereingeschlüpft und nahm in seiner Familienbank Platz. Sie schaute zu ihm hin. Er schaute, diskret, zu ihr hin. Jean Bart beobachtete, wie die beiden einander beäugten. Sie und mehrere Diener und Bekannte, die erschienen waren, beteiligten sich an dem wiederholten Aufstehen, Hinsetzen, Niederknien, Murmeln und Gestenvollführen der heiligen Messe. Jean-Jacques erwies sich als eines jener Kinder, das das Untergetauchtwerden nicht mit hysterischen Protesten, sondern mit entgeisterter Neugier quittiert; das erfüllte seinen Paten mit ungeheurem Stolz, während seine Mutter lange, ungestüme Jahre auf sich zukommen sah. Der Jesuit machte ihm mit Öl das Kreuz auf die Stirn und sagte, er sei Priester und Prophet und sein Name sei Jean-Jacques: Jean nach Jean Bart, der sein Pate wurde, und Jacques nach einem anderen Mann aus Elizas Bekanntenkreis, der nicht an der Zeremonie teilnehmen konnte, weil er entweder tot, verrückt oder an ein Ruder gekettet war. Der leibliche Vater des Kindes blieb unerwähnt. Selbst der Mutter wurde wenig Beachtung geschenkt; denn die Geschichte, die man in Umlauf brachte, lautete, dass Jean-Jacques eine Waise und irgendeinem Massaker in der Pfalz entgangen sei und dass Eliza sich lediglich um ihn kümmere.
Unter fröhlichem Gebimmel vom Glockenturm bestand der Marquis – der, wie sie sich nun wieder erinnerte, ein hochgewachsener, physisch eindrucksvoller Mann und auf anrüchige Weise gutaussehend
war – auf einer Feier in seinem Hause. Die Produkte örtlicher Weinberge, Obstgärten und Destillerien wurden einer kleinen, ausgesuchten Schar von Gästen verfügbar gemacht. Einige Stunden später konnte man Jean Bart im Zickzackkurs die Straße entlang nach Hause gehen sehen, wie ein Schiff, das gegen den Wind kreuzt.
Die Comtesse de la Zeur und der Marquis d’Ozoir behielten Bart von demselben Raum aus im Auge, in dem Eliza drei Tage zuvor d’Avaux Audienz gewährt hatte. Sie und der Marquis kamen sehr gut miteinander aus, was ihr angesichts seines früheren Engagements im Sklavenhandel eine ziemliche Gänsehaut machte. Er zeigte so etwas wie ein onkelhaftes Interesse an Jean-Jacques, was vielleicht verständlich war, da die beiden unter ganz ähnlichen Umständen zur Welt gekommen waren. 4
Das Gespräch, das stattfand, nachdem Jean Bart nach Hause gegangen war und man die Dienerinnen fortgeschickt hatte, wäre ganz anders verlaufen, wenn die beiden ihre Titel geerbt hätten. Wie die Dinge lagen, bestanden jedoch keinerlei Illusionen zwischen ihnen, und sie konnten sich ungezwungen und ohne Prätentionen miteinander unterhalten. Dies ein paar Minuten lang zu tun hieß allerdings (fand Eliza), daran erinnert zu werden, dass gezwungenes und prätentiöses Geplauder manchmal gar keine so schlechte Sache war.
»Ihr und ich, wir sind einander ähnlich«, sagte der Marquis. Er meinte das als Kompliment!
»Wir haben unsere Titel«, fuhr er fort, »weil wir dem König nützlich sind. Wäre ich ein legitimer Sohn der Lavardacs, dürfte ich mit meinem Leben nichts anderes anfangen, als in Versailles herumzusitzen und auf den Tod zu warten. Weil ich unehelich bin, habe ich Indien, Afrika und das Baltikum bis Russland bereist und in all diesen Ländern Handel getrieben. Handel! Trotzdem denkt niemand deswegen geringer von mir.«
Darauf erklärte er, warum Eliza seiner Ansicht nach dem König nützlich sei. Das hatte alles mit Finanzfragen zu tun und mit Elizas Verbindungen nach Amsterdam und London, die er zutreffend beschrieb. Für einen französischen Adeligen war das ungewöhnlich. Die sehr wenigen unter ihnen, die tatsächlich verstanden, was in einer
Börse vor sich ging und warum es wichtig war, stellten sich unwissend, um nicht gewöhnlich zu erscheinen. Sie wurden aus Eliza ebenso schlau wie aus dem Orakel von Delphi. Im Gegensatz dazu gab der Marquis vor, mehr zu verstehen, als er tatsächlich verstand. Für ihn war Eliza eine kleine commerçante. Jedenfalls konnte man aus seiner nächsten Bemerkung diesen Eindruck gewinnen: »Besorgt mir Bauholz, wenn es Euch recht ist.«
»Pardon, Monsieur?«
»Bauholz.«
»Wieso braucht Ihr Bauholz?«
»Wisst Ihr, dass wir uns mittlerweile mit praktisch allen im Krieg befinden?«, fragte er amüsiert.
»Fragt den contrôleur-général, ob die Gräfin de la Zeur das weiß!«
» Touché. Sagt mir, Verehrteste, was seht Ihr, wenn Ihr zum Fenster hinausschaut?«
»Nagelneue, sehr teuer aussehende
Weitere Kostenlose Bücher