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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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Mund.
     
    »Monsieur Shaftoe, dieser Ballsaal scheint Euch nicht zuträglich zu sein. Ich glaube, man sollte Euch nicht noch einmal hierher einladen«, konnte der König, ein wenig säuerlich, bemerken, ehe sie von Höflingen mit gezogenen Schwertern umringt waren.
    Nun hatte Jack noch nie sehr viel von Ludwig gehalten, aber selbst er war beeindruckt davon, mit wie viel Aplomb diese überraschende Wendung der Ereignisse bewältigt wurde. Natürlich gab es eine Unterbrechung, aber es vergingen nur ein paar Minuten, bis das Gespräch wieder aufgenommen wurde. Jack, Eliza und der König befanden sich nun im Petit Salon; den Ballsaal würde man reinigen müssen.
    Erster Protokollpunkt war, dass der König der Witwe d’Arcachon sein Beileid aussprach (denn Étienne hatte die Pistolenkugel zwischen die Augen bekommen). Dann wandte der König von Frankreich seine Aufmerksamkeit abermals Jack zu. »Monsieur Shaftoe, es gefällt uns, dass Euer einziger Gedanke dem Schutz von Madame la Duchesse d’Arcachon galt, als Ihr die Waffe in der Hand von Monsieur Esphahnian saht. Das erinnert uns jedoch an eine gewisse Verwicklung, die Eure Arbeit in London behindern wird, wenn sie nicht sogleich aufgelöst wird. Wenn das, was man sich von Eurer Liebe zu dieser Frau erzählt, wahr ist, wäre es sinnlos, Euch aufzufordern, die Bande zu durchtrennen. Madame?«
    Jack, der Vrej gegenüber so wachsam gewesen war, wurde von Eliza überrumpelt. Sie drängte sich an ihn, umarmte ihn von der Seite, gab ihm einen Kuss auf die Wange und legte den Kopf lange genug an seinen, um ihm ins Ohr hauchen zu können: »Entschuldige die Harpune, und entschuldige das hier; aber ich muss es tun, damit du nicht in der Bastille endest und ich nicht Gift in meinem Kaffee finde.«

    Jack wollte die Umarmung erwidern, bekam aber nur Luft zu fassen, denn sie war so rasch zurückgeschnellt wie ein Fechtmeister. »Ich schwöre vor Gott, dass du, Jack Shaftoe, bis zu dem Tag, an dem du stirbst, nie mehr mein Gesicht sehen noch meine Stimme hören wirst.« Dann wandte sie sich hastig, ehe Tränen kamen, dem König zu, der eine kleine Geste machte, mit der er ihr erlaubte, sich zu entfernen. Sie knickste, wirbelte herum und eilte aus dem Raum, als stünde er in Flammen.
    »Dieses Gespräch sollte noch einen dritten Teil umfassen«, sagte der König, »in dem Monsieur le Duc d’Arcachon geschworen hätte, Euch nie wieder zu belästigen. Aber das hat sich nun erübrigt. Monsieur Shaftoe, Ihr dürft Euch entfernen. Wir müssen unsere Aufmerksamkeit jetzt wieder dem Krieg zuwenden; aber es wird uns freuen, in einem oder mehreren Jahren zu erfahren, dass das Geld Englands wertlos gemacht und dass die Fähigkeit dieses häretischen Landes, Krieg außerhalb seiner Ufer zu führen, dadurch gemindert worden ist. Lasst Euch Zeit und macht es gründlich. Keine halben Sachen. Und wisst, dass in dem Maße, wie das Pfund Sterling leidet, die Witwe d’Arcachon und ihre Kinder gedeihen und weiterhin alles genießen werden, was Frankreich an Gutem zu bieten hat.«

BUCH VIER
    Bonanza
    Die Umwälzungen der vergangenen zwanzig Jahre waren unglaublich: Die Königreiche England, Holland und Spanien haben sich ebenso schnell verändert wie die Kulissen im Theater. Wenn spätere Generationen über unsere Geschichte lesen, werden sie denken, sie läsen einen Roman, und kein Wort davon glauben.
    Liselotte in einem Brief an Sophie,
10. Juni 1706

Unterwegs von Paris nach London
    OKTOBER 1702
    Der König war zu höflich, die andere Seite der Abmachung zu erwähnen, die besagte, dass Eliza, wenn Jack scheiterte, die Konsequenzen würde tragen müssen; auf seiner Reise die Seine hinab und über den Kanal hatte Jack jedoch genug Zeit, sich das selbst auszurechnen. Noch bevor der folgende Tag zu Ende war, befand er sich auf einer angeblich dänischen Brigg, die so tat, als schmuggle sie französischen Wein nach England.
    Als er vor siebzehn Jahren das letzte Mal diese Gewässer befahren hatte, war er, von einer Harpune aufgeschlitzt und halb verrückt vom Fieber, in die andere Richtung unterwegs gewesen. Auf dieser Reise, seiner Rückkehr, war sein Körper gesund, aber sein Geist nicht. Die ganze Ungeheuerlichkeit all dessen, was Jack in den vergangenen Wochen widerfahren war, brach sich jetzt erst richtig Bahn und versetzte ihn für eine gewisse Zeit in eine Art vegetativen Zustand.
    Die Fähigkeit von Segelschiffen, Stürme und schwere See zu überstehen, beruhte darauf, dass hungernde,

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