Confusion
Rache seiner Arbeit in die Quere käme. Wir haben gehört, das Missverständnis, auf dem der Racheschwur gründete, sei aufgeklärt, und nehmen daher an, dass zwischen euch beiden alles vergeben und vergessen ist; aber wir würden gern sehen, dass sich die Herren Shaftoe und Esphahnian die Hand reichen und in unserer Gegenwart schwören, dass alles vergeben ist. Es steht euch frei, miteinander zu reden.«
Vrej saß allem Anschein nach schon seit einer ganzen Weile nicht mehr im Knast – so lange jedenfalls, dass er sich ein paar Kleider hatte schneidern lassen und ein paar Pfunde hatte zulegen können. Kurzum, er hatte sich für diese Audienz insgesamt präsentabel gemacht. »Monsieur Shaftoe, an dem Abend im Jahre 1685, als Ihr auf Eurem Pferd in diesen Ballsaal geritten seid und diesem Mann« – er deutete mit dem Kopf auf Étienne – »die Hand abgeschlagen habt, ist der Leutnant der Polizei in die Wohnung im Marais gekommen, wo meine Familie Euch Unterkunft gewährt hatte...«
»Vermietet, nicht gewährt«, sagte Jack, »aber bitte fahrt fort.«
»Die Polizei hat sämtliche Familienmitglieder verhaftet und sie ins Gefängnis geworfen, aus dem einige nicht mehr lebend herausgekommen sind. Ich habe Euch Rache geschworen. Jahre später wurden
die Flammen der Leidenschaft, die endlich erstorben waren, aufs Neue durch Lügen angefacht, die arglistige Menschen mir zukommen ließen, und ich habe nach einer Möglichkeit gesucht, Euch den gleichen Schmerz zuzufügen, den Ihr, wie ich glaubte, meiner Familie bereitet hattet. In Manila traf ich mich heimlich mit Édouard de Gex, den ich für den Wohltäter meiner Familie hielt, und tat mich mit ihm gegen Euch und die anderen Verschwörer zusammen. Gott sei Dank waren die meisten schon tot oder hatten sich von der Gruppe getrennt und sich an ganz unterschiedlichen Orten wie etwa Japan, Nuba, Queena-Kootah und Neu-Mexiko ein neues Leben geschaffen. Von denen, die sich noch auf dem Schiff befanden, als es in Qwghlm auf das Riff getrieben wurde, haben alle außer Euch die Freiheit erlangt. Euch allerdings habe ich schwer gekränkt.«
»Nicht schlimmer, so scheint es, als ich Euch 1685 gekränkt habe.«
»Was Ihr 1685 hier getan habt, verzeihe ich Euch; und ich hoffe, Ihr verzeiht mir, was ich fälschlich von Euch glaubte. Zum Zeichen dafür reiche ich Euch die Hand.«
Während dieses Gesprächs hatte Vrej die Arme etwas unbeholfen vor dem Körper verschränkt gehalten, als wäre der rechte verletzt und müsste mit dem linken gestützt werden. Nun löste er sie voneinander und streckte die Rechte wie zu einem Händedruck aus, hielt den Arm aber dennoch merkwürdig angewinkelt. Von Sonderbarkeiten der Haltung einmal abgesehen hatte Jack, der mit Unterbrechungen ein Dutzend Jahre lang mit Vrej zusammengelebt hatte, keinen Zweifel an dessen Aufrichtigkeit. Er ergriff Vrejs Hand und schüttelte sie.
Vrej sah ihm in die Augen. »Auf Moseh, Dappa, van Hoek, Gabriel, Nyazi, Jewgeni, Jeronimo und Mr. Foot!«, sagte Vrej.
»Auf die zehn«, pflichtete Jack bei und schüttelte Vrej so kräftig die Hand, dass dessen Ellbogen sich streckte. Daraufhin glitt etwas Hartes aus Vrejs Ärmel und schürfte Jack den Knöchel auf. Vrej langte mit der Linken herüber und drückte die flache Hand auf seinen Unterarm, damit der Gegenstand nicht vollends herausfiel. Wie Jack deutlich sehen konnte, handelte es sich um eine doppelläufige Taschenpistole.
Da er nicht wusste, was Vrej vorhatte, ließ Jack seine Hand los und stellte sich zwischen ihn und Eliza. Er hatte es kaum getan, als er einen lauten Knall hörte und Étienne zu Boden stürzen sah.
»Verzeiht die Unterbrechung, Eure Majestät«, sagte Vrej. Er hatte die Pistole in der Hand, eine Rauchwolke stieg von ihr auf.
Jack hatte sich mittlerweile genau zwischen Vrej und Eliza aufgebaut, aber sie wollte sehen, was vor sich ging, und bewegte sich ständig, was ihn zwang, sich ebenfalls zu bewegen. Am anderen Ende des Ballsaals flog krachend eine Tür auf, und eine Wolke aus Federn, Spitze und Klingen – ein rundes Dutzend bewaffneter Edelleute – kam auf sie zu. Es würde noch einige Momente dauern, bis sie da war.
»Ich könnte fliehen. Vielleicht sogar entkommen«, fuhr Vrej fort. »Aber das würde meine Familie verdächtig machen – die vollkommen unschuldig ist, Eure Majestät, und es immer war.«
»Wir verstehen«, sagte Leroy, »und haben immer verstanden.«
Vrej drehte die Pistole um und schoss sich in den
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