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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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Geschmack lässt sich streiten. Aber Ihr müsst verstehen, dass Raffinesse sich nicht mit Eile verträgt. Wenn Ihr den Herzog jetzt tot sehen wollt, dann geht hin und erstecht ihn. Wenn Ihr ein Weilchen genießen wollt, dass er tot ist, und wenn Ihr Eure Waise aufwachsen sehen wollt, werdet Ihr Euch gedulden müssen.«
    »Ich kann mich gedulden«, sagte Eliza, »bis zum vierzehnten Oktober.«

BUCH VIER
    Bonanza

Der Golf von Cadiz
    5. AUGUST 1690
    Die Spanier, wenngleich eine träge Nation, deren Kolonien doch wahrlich so reich, bedeutend und ausgedehnt waren, dass es genügte, um selbst ihre größte Gier zu befriedigen, hörten dennoch nicht auf, bis sie gleichsam still saßen, weil es keine Welten mehr zu suchen oder zumindest keine Gold- oder Silberminen mehr zu entdecken gab.
    Daniel Defoe, A Plan of the English Commerce
     
    Mit einem Auge spähte Jack durch seine Ruderdolle über den Golf. Er schaute von der Seite auf eine dicke Schicht trockener Hitze, die unmittelbar über dem Wasser lag, so wie verflüssigtes Glas im Tiegel eines Glasbläsers über dem geschmolzenen Zinn schwimmt. An einer niedrigen, flachen Küste ganz in der Ferne sah er weiße Verschwörertrupps aus sich duckenden und umherspringenden Geistern, riesig und formlos. Keiner der Sklaven wusste so recht, was er davon halten sollte, bis sie, einer Küchenschabe auf einer Bratpfanne gleich, näher an die Küste herangekrochen waren und erkannten, dass dieser Golf mit riesigen Salinen durchzogen war und das Salz von Arbeitern, die sie nicht sehen konnten, zu Kegeln, Hügeln und Stufenpyramiden zusammengerecht worden war. Als sie das begriffen, brachte ihr Durst sie fast um. Sie hatten tagelang unter großer Anstrengung gerudert.
    Cadiz glich einer in den Golf geworfenen Klinge aus Fels. Weiße Gebäude waren aus ihr herausgewachsen wie die sich reckenden Finger von Bergkristallen. Sie legten an einem Kai an, der vom Fuß der Hafenmole aus ins Meer ragte, und füllten Trinkwasser nach; eine der Arten, wie die Korsaren sie an der Leine hielten, war nämlich die, dafür zu sorgen, dass ihr Frischwasservorrat immer knapp war. Allerdings gestattete der spanische Hafenmeister ihnen keinen sehr langen
Aufenthalt, denn die Lagune, die sich in die Ellenbeuge des knochigen Arms der Stadt schmiegte, war (wie sie beim Umfahren der Landspitze gesehen hatten) voll mit einer Schiffsflotte, die Jack höchst bemerkenswert gefunden hätte, wäre er nicht schon einmal in Amsterdam gewesen. Es waren zumeist große, an den Seiten abgeflachte Schiffe mit einem Aufbau am Heck, die mit Stückpforten gesprenkelt waren. Jack hatte bis dahin noch keine spanische Schatzgaleone in gutem Zustand gesehen – vor Jamaika hatte er das Wrack von einer erspäht, die auf ein Riff gefahren und gesunken war. Jedenfalls konnte er diese hier ohne Mühe erkennen. »Zu früh sind wir nicht gekommen«, sagte er, »die Frage ist nur, ob wir zu spät dran sind!«
    Er und Moseh de la Cruz, Vrej Esphahnian und Gabriel Goto schauten einander fragend an, und ihre Blicke landeten schließlich alle auf Otto van Hoek. »Ich rieche Baumwolle«, sagte der. Dann stand er auf und schaute über den Schandeckel hinaus und hinauf in die Stadt. »Und ich sehe Cargadores , die Ballen davon in die Lagerhäuser der Genuesen schleppen. Da Baumwolle viel Platz braucht, ist sie das Erste, was von der Ladung gelöscht wird. Deshalb kann es noch nicht so lange her sein, dass sie vor Anker gegangen sind.«
    »Trotzdem sind wir wahrscheinlich zu spät – die Brigg des Vizekönigs würde doch sofort nach Bonanza fahren und ihre Ladung löschen, oder?«, sagte der Raïs oder Kapitän, Nasr al-Ghuráb.
    »Kommt drauf an«, erwiderte van Hoek. »Von diesen Flottenschiffen, die da vor Anker liegen, entladen bisher nur ein paar – die meisten haben noch nicht angefangen zu löschen. Das deutet darauf hin, dass die Zollkontrolle noch nicht beendet ist. Was siehst du an Backbord, Caballero?«
    Jeronimo spähte durch eine Ruderdolle auf seiner Seite auf die ankernde Flotte. »Längsseits eines der großen Schiffe ist eine Barke vertäut, die die ruhmreichen Farben Seiner Majestät, des hässlichen, missgestalteten Dummkopfs führt.« Dann hielt er inne, um ein kurzes Gebet zu murmeln und sich zu bekreuzigen. Wenn Jeronimo versuchte, die Worte »König Karl II. von Spanien« auszusprechen, kamen oft diese oder noch weniger schmeichelhafte Ausdrücke aus seinem Mund. »Das ist höchstwahrscheinlich das Boot, das die

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