Confusion
kam! Ich brauchte nicht lange, um zu begreifen, dass niemand sich mit derlei ungerechten Situationen abfinden muss. Es gibt Möglichkeiten, wie sich so etwas arrangieren lässt. Niemand lebt ewig, Mademoiselle, und viele verdienen nicht, so lange zu leben, wie sie es tun.«
»Ich weiß, wovon Ihr redet«, sagte Eliza. Ihre Stimme klang zunächst höchst seltsam, als gehörte sie einer ganz anderen Eliza, einer, die soeben schreiend aus der alten geboren worden war. Ihre Kehle
brannte, sie räusperte sich und schluckte schmerzhaft. Unwillkürlich huschte ihr Blick immer wieder hinüber zu dem Schuppen, in dem die Herzogin ihre Seife machen ließ.
»Das sehe ich«, sagte die Herzogin.
»Nichts, was Ihr zu mir sagen könntet, würde meine Absichten ändern.«
»Natürlich nicht, stolzes Fräulein!«
»Meine Ziele stehen fest, und das schon seit vielen Jahren. Was aber die Mittel angeht, könnte ich möglicherweise Rat gebrauchen. Denn was mit mir wird, ist mir gleich; wenn ich aber meine Ziele mit allzu durchsichtigen Mitteln verfolge, könnte das dazu führen, dass der Kleine im Waisenhaus Schaden nimmt.«
»Dann wisst, dass Ihr Euch in der geschmackvollsten und kultiviertesten Gesellschaft befindet, welche die Welt je gesehen hat«, sagte die Herzogin, »und darin lässt sich alles Erdenkliche, was sich ein Mensch nur wünschen könnte, auf raffinierte und subtile Weise erreichen. Und für jemandem von Eurem Stand wäre es schändlich, es auf grobe und durchsichtige Art zu tun.«
»Eines allerdings müsst Ihr wissen, nämlich dass es hier nicht um Sukzession geht. Es ist keine Frage der Erbfolge, sondern eine Frage der Ehre.«
»Das war zu erwarten. Ihr verabscheut mich. Ich habe es an der Art gesehen, wie Ihr mich anschaut. Ihr verabscheut mich, weil Ihr glaubt, das Geld meines verstorbenen Mannes wäre das Einzige, woran mir liegt. Nun wollt Ihr meinen Rat; aber zuerst müsst Ihr unbedingt festhalten, dass Ihr ein besserer Mensch seid als ich, dass Eure Beweggründe reiner sind. Dann hört mir zu, Mademoiselle la Comtesse. Auf dieser Welt gibt es nur sehr wenige, die für Geld töten würden. Zu glauben, der Hof von Frankreich wimmle von solchen seltenen Exemplaren, ist albern. Früher gab es bei Hofe viele Adepten der schwarzen Messe. Glaubt Ihr wirklich, alle diese Menschen wären eines Morgens aufgewacht und hätten gesagt: ›Heute werde ich den Fürsten der Finsternis verehren und ihm Opfer darbringen.‹? Natürlich nicht. Es war wohl eher so, dass irgendein junges Ding, das unbedingt einen Ehemann finden wollte, um nicht den Rest seiner Tage in irgendeinem Konvent beschließen zu müssen, ein Gerücht hörte, demzufolge Soundso einen Liebestrank brauen könne. Also sparte sie ihr Geld, fuhr nach Paris und kaufte bei irgendeinem Quacksalber ein Zauberpulver. Natürlich zeitigte es keinerlei Wirkung; aber sie wiegte
sich in dem Glauben, es habe ein klein wenig gewirkt, und hegte daher eine verzweifelte Hoffnung und den Wunsch nach etwas, das ein klein wenig stärker wäre: ein Zauber vielleicht. Eines führte zum anderen, und irgendwann ertappte sie sich vielleicht dabei, dass sie die geweihte Hostie aus irgendeiner Kirche stahl und sie in einen Keller mitnahm, wo auf ihrem nackten Leib eine schwarze Messe zelebriert wurde. Alles nur auf Abwege geratene Narretei. Narretei, die zu Bösem führte. Aber hatte sie je die Absicht, Böses zu tun? Sah sie sich selbst je als böse? Natürlich nicht.«
»So viel zu einsamen Herzen, die sich verzweifelt nach Liebe sehnen«, sagte Eliza. »Was aber ist mit denen, die verheiratet waren und deren Ehemänner tot umfielen? Handelten sie auch aus Liebe?«
»Behauptet Ihr etwa, aus Liebe zu handeln, Mademoiselle? Das Wort Liebe habe ich Eurem hübschen Mund noch nicht entschlüpfen hören. Ich habe stattdessen etwas von Ehre gehört; das verrät mir, dass Ihr und ich mehr gemeinsam haben, als Ihr zugeben möchtet. Ihr seid nicht die einzige Frau auf der Welt, die imstande ist, eine Verletzung ihrer Ehre übelzunehmen, und die die Kraft besitzt, darauf zu reagieren. Tout le monde weiß, dass Étienne de Lavardac Euch verführt hat...«
Eliza schnaubte. »Glaubt Ihr etwa, es hat damit zu tun? Das ist mir gleichgültig.«
»Offen gesagt, Mademoiselle, ist es mir nicht weniger gleich, aus welchem Grund Ihr wollt, dass Eure Ehe kurz und Eure Witwenschaft lange währt.«
»O nein. Es ist nicht Étienne, der das verdient.«
»Dann also der Duc d’Arcachon? Schön. Über
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