Congo
eine ganz neue Zeitprojektion. Damit können wir sie immer noch schlagen.«
»Na, da haben Sie ja Ihre Antwort«, sagte Munro.
»Halten Sie also mal ‘ne Weile den Mund und ruhen Sie sich aus.«
5. Tag
Moruti
17. Juni 1979
1. Zaire
Fünf Stunden nach ihrem Start von Rawamagena veränderte sich das Gesicht der Landschaft. Als sie Goma, in der Nähe der Grenze von Zaire, hinter sich hatten, flogen sie über die östlichsten Ausläufer des Regenwalds am Kongo. Elliot sah fasziniert aus dem Fenster.
Hier und da hingen flockige Fetzen von Nebel wie Watte im Blätterdach der Bäume, und gelegentlich überflogen sie die dunkle Windung eines schlammigen Flusses oder die tief ins Land schneidende, pfeilgerade Trasse einer Straße. Doch meist sahen sie auf ein ununterbrochenes Ganzes aus dichtem Wald hinab, das sich unter ihnen erstreckte, so weit das Auge reichte.
Der Anblick war langweilig und zugleich furchteinflößend. Es war furchteinflößend, sich dem gegenüberzusehen, was Stanley »die gefühllose Unermeßlichkeit der natürlichen Welt« genannt hatte. Sie konnten aus dem bequemen Sessel der klimatisierten Flugzeugkabine unmöglich übersehen, daß neben diesem weiten eintönigen Wald als einer riesigen Schöpfung der Natur die größten Städte und alle anderen Werke des Menschen von unbedeutender Winzigkeit waren. Jeder einzelne grüne Klecks einer Baumkrone ruhte auf einem Stamm von zwölf Meter Durchmesser, der sechzig Meter emporragte. Unter seinem Blätterdach lag ein Baum von der Größe einer gotischen Kathedrale verborgen. Elliot wußte, daß der Wald sich rund dreitausend Kilometer weit nach Westen erstreckte, bis er schließlich am Atlantik, an der Westküste von Zaire, aufhörte.
Elliot lag viel an Amys Reaktion auf diesen ersten Anblick des Dschungels, ihres natürlichen Lebensraums. Sie sah interessiert aus dem Fenster und teilte ihm mit Hier Dschungel, mit der gleichen distanzierten Haltung, mit der sie Farbkarten oder Gegenstände bezeichnete, die man auf dem Fußboden ihres Wohnwagens in San Francisco vor ihr ausbreitete. Sie identifizierte den Dschungel und gab damit der Sache, die sie sah, einen Namen, aber von einem tieferen Erkennen merkte Elliot nichts.
Elliot fragte sie: »Amy mögen Dschungel?«
Dschungel hier, gab sie zurück. Ist Dschungel.
Er beharrte auf seiner Frage und suchte nach den Gefühlsregungen, die es in diesem Zusammenhang in ihr geben mußte. »Amy mögen Dschungel?«
Hier Dschungel. Ist Dschungel. Hier Amy Dschungel sehen. Hier Dschungel sehen.
Er versuchte einen neuen Weg. »Amy leben Dschungel hier?« Nein. Ausdruckslos’. »Wo leben Amy?«
Amy Amy-Haus leben. Damit meinte sie ihren Wohnwagen in San Francisco.
Elliot sah, wie sie ihren Sitzgurt öffnete, das Kinn in die Hand stützte und träge aus dem Fenster sah.
Plötzlich bat sie Amy Zigarette wollen. Sie hatte gesehen, daß Munro rauchte. »Später, Amy«, sagte Elliot. »Später.«
Um sieben Uhr morgens flogen sie über die glänzenden Metalldächer der Zinn-und Tantal-Abbauanlage in Masisi. Munro ging mit Kahega und den anderen Trägern ins Heck der Maschine, wo sie sich an der Ausrüstung zu schaffen machten und sich erregt auf Swahili miteinander unterhielten.
Amy sah sie vorbeigehen und teilte Elliot mit: Männer Sorge.
»Weswegen, Amy?«
Männer Sorge Schwierigkeiten Sorge machen.
Nach einer Weile ging Elliot ins Heck der Maschine, wo er Munros Leute fand, die, halb begraben unter großen Strohhaufen, Ausrüstungsteile in längliche, torpedoförmige Behälter aus Musselin packten und alles sorgfältig mit Stroh polsterten. Elliot deutete auf die Musselin-Torpedos. »Was ist das?«
»Versorgungsbomben«, sagte Munro mürrisch.
»Sehr zuverlässig.«
»Ich habe noch nie gesehen, daß man Ausrüstung so verpackt«, sagte Elliot und sah den Männern bei der Arbeit zu. »Die Männer scheinen unsere Sachen sorgfältig zu schützen.«
»Das sollen sie auch«, sagte Munro. Und er ging durch die Maschine nach vorn, um sich mit dem Piloten zu besprechen. Amy machte Zeichen: Nasen-Haar-Mann Peter lügen. Sie nannte Munro »Nasen-Haar-Mann«. Elliot schenkte ihr keine Aufmerksamkeit, sondern sprach mit Kahega. »Wie weit ist es bis zum Landeplatz?«
Kahega sah auf. »Landeplatz?«
»Nahe dem Muhavura.«
Kahega machte eine Pause und dachte nach.
»Zwei Stunden«, sagte er und kicherte dann drauflos. Er sagte etwas auf swahili zu seinen Brüdern, worauf alle lachten. »Was ist daran so lustig?«
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