Coogans Fluch (German Edition)
nichts gegen meinen Hunger, so wie dir nichts helfen wird, gegen den Hunger meiner Freunde.“
„Was?“ Entsetzen zeichnete sich in Maloys Zügen, vor seinen Augen verwandelte sich des Indianers Kopf, in den eines monströsen Wolfes.
„Sieh dich um“, drang die Stimme des Indianers in Maloys Bewusstsein. Er wollte nicht auf die Stimme hören, aber irgendetwas zwang ihn dazu, zurückzublicken. Der Anblick ließ ihn einen wimmernden Schrei ausstoßen. Jetzt erst realisierte er die aufgerissene Haut seines Bauches, das Weiß seines blank liegenden Fleisches und die blutige Spur, die er im Schnee zurückgelassen hatte.
Das Schlimmste jedoch waren die Wölfe, die seiner Fährte folgend, das Blut vom Schnee leckten und ihn, ständig näherkommend, mit ihren kalten Blicken fixierten.
„Nein“, schrie Maloy. „Nein, nein!“, bis ihm die Stimme versagte. Unbeeindruckt von den schrillen Tönen ihrer Beute schlichen die Kreaturen leise knurrend näher. Tränen rannen Maloy über die Wangen, gefroren auf der Haut, bevor sie das Kinn erreichten. Verzweifelt warf er den Kopf herum, flehte: „Hilf mir, alter Mann. Hab Erbarm ...“ Das letzte Wort blieb ihm im Halse stecken. Gänzlich unberührt erstreckte sich die Schneedecke hinter ihm. Nicht die geringste Spur von einem Feuer und dem Indianer, der noch vor wenigen Augenblicken daran gesessen hatte.
Die ausgemergelten Wölfe jedoch, waren nicht verschwunden. Der erste hatte sich mittlerweile bis zu Maloys Füßen vorgewagt, witterte geifernd an den Schuhen, weiße Fänge blitzten in seinem halb geöffneten Maul. Stöhnend warf sich Maloy herum. Sein Gewehr, das er noch immer mit der steifgefrorenen Hand umklammert hielt – er musste es nur schaffen, es anzuheben, aber keine seiner erfrierenden Gliedmaßen, gehorchte seinem Willen.
Ohne Vorwarnung schnappte der Wolf zu. Knurrend schlossen sich seine Kiefer um Maloys Unterschenkel, zerrend und schüttelnd rissen die scharfen Zähne ein Stück Fleisch heraus. Blut pulsierte dampfend in den Schnee, gefror in Sekundenschnelle. Fassungslos starrte Maloy auf die schnell anwachsende Blutlache. Er wollte nicht wahrhaben, dass es sich um sein Blut handelte.
Tief in seinem Innern weigerte sich Maloy bis zuletzt, zu glauben was er sah. Selbst als auch die übrigen Wölfe, ihre Vorsicht durch die Witterung des Blutes vergessend, über ihn herfielen, redete er sich ein nur zu träumen. Er spürte die Zähne der Kreaturen in seinem Fleisch, das Zerren und Rütteln, hörte unter den kräftigen Kiefern Knochen splittern, Schmerzen jedoch empfand er keine. Eine Schwerelosigkeit erfüllte ihn mehr und mehr, gab ihm ein unbekanntes, körperloses Gefühl, das ihn darin bestärkte, sich nur einzubilden, gefressen zu werden.
Dann verlor sich sein bewusstes Ich und bevor ihn die bleierne Schwärze gänzlich verschluckte, sah er undeutlich einen der Wölfe, der mit einem blutigen Menschenarm in den Fängen, langsam davon trottete.
Kurz nach Tagesanbruch blickte der Narbige auf seiner Fährte zurück. Die Luft war klar und der weite Blick über die Tananaebene stimmte ihn beinahe versöhnlich. Irgendwann in der Nacht war er auf ein einsames Goldgräbercamp gestoßen. Die zwei schlaftrunkenen und nach billigem Whiskey müffelnden Digger wachten noch nicht einmal auf, als er ihnen die Kehlen durchgeschnitten hatte. Das gut genährte Hundegespann und ihre Vorräte waren ihnen zum Verhängnis geworden. Obwohl bisher keine Verfolger auf seiner Fährte auszumachen waren, peitschte er die Hunde erbarmungslos vorwärts. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Nachricht vom Tod des Marshalls auch die letzten Camps in der Ebene erreichte. Und bis dahin, so hoffte er, musste ihm gelingen, die Holzfäller für seine Sache gewinnen zu können.
Nach einer weiteren Stunde, in der er die Hunde ohne Unterlass zu einer schnelleren Gangart geprügelt hatte, machte er den Saum des Waldes am Rand der Ebene aus. Kurz darauf sah er eine dünne Rauchfahne zwischen den Bäumen in den Himmel steigen. Die Hunde waren am Ende ihrer Kräfte, als sie im Lager eintrafen. Es herrschte die Betriebsamkeit eines Bienenstockes, jeder Mann war mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Schwitzende und fluchende Kerle schaufelten Werkzeuge und Karren frei, die von meterhohen Schneeverwehungen begraben waren, ebenso die Fläche zwischen den Zelten der Arbeiter und des Kochs. Der Narbige ließ Schlitten und Hunde achtlos stehen, packte einen der
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