Coogans Fluch (German Edition)
Marshall endgültig von den Füßen.
Mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen registrierte Sally, dass der Narbige etwas zu Maloy hinaufschrie und dabei die Faust schüttelte. Dann riss er sein Gewehr aus dem Futteral und rannte schräg über die Straße. Sally erwachte aus ihrer Erstarrung, schnappte sich einen Karabiner aus dem Waffenschrank des Marshalls, vergewisserte sich, dass er geladen war und rannte aus dem Büro. Soeben verschwand der Narbige in einer unbeleuchteten Gasse. Ohne bewusstes Zutun, hielt Sally den Karabiner im Anschlag und schickte dem Flüchtigen drei Kugeln hinterher, dann kniete sie neben dem Marshall nieder.
Überall in den Häusern flammten Lichter auf. Nur notdürftig bekleidete Männer, aber mit Gewehren in den Händen, rannten von allen Seiten herbei. Sally Herz verkrampfte, als sie sich zwang, einzusehen, dass niemand etwas für Pete tun konnte. Mit schmerzverzerrtem Gesicht starrte sie hinauf, zu Maloys Zimmer, das nun im Dunkeln lag.
„Um Gottes Willen, Sally, was ist passiert?“ Die ersten Männer hatten die Wirtin erreicht und erstarrten, als sie in dem Toten ihren Marshall erkannten. „Der Spieler!“, stieß Sally kraftlos hervor. „Maloy hat Pete erschossen. Schnell, bevor er versucht über den Hof zu flüchten.“ Sie nahm gerade noch war, dass Anweisungen gebrüllt wurden und einige Männer losliefen, um Maloy den Weg zu verlegen, dann blendete sich die Welt um sie her aus und sie sank schluchzend neben Petes Leichnam in den Schnee. Weder an Maloy, noch an den Narbigen dachte sie in diesen Augenblicken. Sie hatte soeben einen lieben Freund in dieser Stadt verloren, wahrscheinlich ihren besten.
Schlimmeres hätte nicht mehr passieren können, dennoch verlor der Narbige nicht für den Bruchteil einer Sekunde seine Fassung. Eiskalt und bar jeglicher Empfindung durchlief er in Gedanken seine Möglichkeiten, erkannte die winzige Chance und so schnell er konnte, rannte er zu dem dunklen Schlund einer Seitengasse. Jemand feuerte auf ihn, für seinen Geschmack jaulten die Kugeln deutlich zu dicht an ihm vorüber. Wenigstens verfolgte ihn niemand durch die unbeleuchtete Gasse.
Nun, da er zunächst entkommen war, bemächtigte sich seiner eine unsagbare Wut. Was hatte sich Maloy nur gedacht? Der Marshall hatte ihm nicht das Geringste anhaben können. Warum in aller Welt hatte Maloy die Nerven verloren? Wenn die aufgebrachte Stadtmeute den Spieler nicht lynchte, dann würde Maloy sich später wünschen, sie hätte es getan, sobald er dem Narbigen in die Hände gefallen war. So wahr er hier stand, jede verdammte Rippe würde er diesem Idioten einzeln aus dem Brustkorb schneiden.
Ruhig, befahl er sich, er musste sich beruhigen, die Sache war längst nicht ausgestanden. Für Maloy war jetzt keine Zeit.
Zunächst galt es zu wissen, ob ihn jemand erkannt hatte. Die Frau hatte ihn nur kurz gesehen, dann das auch nur von hinten und er glaubte nicht, dass sie ihn wiedererkannte, stünde er vor ihr. Sonst war er niemandem begegnet, vom Marshall einmal abgesehen. Also standen die Chancen gar nicht schlecht, sich unauffällig zwischen die Schaulustigen zu mischen, und sich am Hafen ein Gespann und einen Schlitten zu besorgen.
Er umrundete einen ganzen Häuserblock, bevor er wieder zur Hauptstraße einschwenkte. Die gesamte Stadt schien auf den Beinen, und so, wie er zuvor vermutete, beachtete ihn tatsächlich niemand. Wieder drängte sich die Wut auf Maloy in sein Bewusstsein. Er biss sich auf die Lippe und ballte die zitternden Hände zu Fäusten.
Gerade in Maloy hatte der Narbige endlich einen gleichwertigen Partner gesehen. Nach vielen Jahren endlich jemanden, der dem Bann des Narbigen widerstand. Jene finstere, machterfüllende Strömung, die er in sich pulsieren fühlte, ohne sich je zu fragen, was ihn da durchströmte und seinen Charakter prägte. Nie hatte er nach einem Warum gefragt, wenn er sich an seiner Macht berauschte, diese mächtige Strömung, die jeden in ihren Bann zwang, der einige Zeit an seiner Seite ritt.
Seine leiblichen Eltern hatten ihn einst verflucht, ihn einen Spross Satans genannt, bevor sie sich unter seinen triumphierenden Blicken gegenseitig zu Tode prügelten. Lediglich ein unterschwelliges, tief sitzendes Glücksgefühl erfüllte ihn, als er dem Todeskampf der Eltern zusah. Weiter empfand er nichts.
Später faszinierten ihn die Gräuel geradezu, welche die Menschen in seiner Gegenwart begingen. Berauschte sich daran,
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