Coogans Fluch (German Edition)
Zeichen. Bevor der Fremde begriff, dass etwas ganz und gar aus dem Ruder lief, packten ihn die Hände des Jungen am Kopf. Wie Schraubzwingen pressten sich die Finger um seinen Schädel, dann brach ihm der Junge mit einem kräftigen Ruck das Genick.
Jonathans Hände öffneten sich und der schlaffe Körper des Fremden sackte vor seinen Füßen in den Staub der Main-Street. Sein Herz raste, stoßweise rang er nach Atem, der Puls dröhnte in den Schläfen und allmählich realisierte Jonathan, was er getan hatte. Vom folgenden Trubel und den Fragen des Marshalls bekam er kaum etwas mit. Glücklicherweise stellte sich heraus, dass der Fremde ein gesuchter Gesetzloser war. Tod oder lebendig, stand auf dem Steckbrief, den ihm der Marshall später zeigte.
In folgender Nacht plagten ihn Alpträume und schweißgebadet wachte er lange vor Sonnenaufgang auf. Noch schliefen die anderen auf der Farm und still lag das Land vor Jonathans Fenster. Sich allmählich beruhigend, starrte er auf die dunkelgraue, diesige Landschaft, als er glaubte, seinen Namen zu hören.
„Jonathan!“, rief es leise, wie weit entfernt, dennoch ganz nah. Jonathan dachte endgültig verrückt zu werden, dann begriff er, dass diese Stimme keineswegs Einbildung war. Sie war in seinem Kopf und mit einem Schlag erkannte er die Stimme Miriams. Mit weichen Knien, plumpste er zurück aufs Bett. „Miriam“, flüsterte er.
„Du brauchst nicht zu reden, Jonathan. Es genügt, in Gedanken zu sprechen.“
„Miriam, wie ist es möglich? Ich-, ich dachte, du wärst tot.“ Ein sanftes Lachen ertönte, bevor Miriam antwortete: „In deiner Welt bin ich das auch, doch jetzt höre mir zu. Verlasse die Handerssons. Deine heutige Tat sollte dir Warnung genug sein.“
„Was meinst du?“
„Jonathan!“ Miriams Stimme klang streng und vorwurfsvoll. „Du hast ohne zu denken, einen Mann getötet. Ist dir denn nicht klar, dass du dich fast an den Galgen gebracht hättest? Was, wenn der Fremde kein Verbrecher, sondern irgendein unbescholtener Reisender gewesen wäre? Darum musst du gehen, oder willst du Unglück über unsere Freunde bringen?“
„Nein“, flüsterte Jonathan. „Aber ich kann nichts dagegen tun, es ist stärker als ich.“
„Ich weiß, Jonathan“, Miriams Stimme klang traurig.
„Aber warum? Was ist mit mir? Wäre es nicht besser, ich wäre tot?“
„Nein, Jonathan. Deine Seele schreit nach Rache, tu, was sie verlangt, dann erst wirst du sehen.“
„Der Narbige, ich werde ihn töten“, Jonathan ballte die Fäuste, seine Lippen pressten sich zu einem Strich zusammen.
„Ja, der Narbige. Er ist dein Schicksal, so wie du zu seinem wirst. Nimm es in die Hand, Jonathan. Du hast gar keine Wahl.“
„Welches Schicksal? Mein Leben hat keine Bedeutung.“
„Du irrst, Leben ist niemals bedeutungslos. Gefühle und Gedanken mögen bedeutungslos sein, nicht aber Leben. Frage nicht nach den Sinn, irgendwann wirst du verstehen. Folge dem Narbigen. Reite nach Westen. Du wirst seine Spuren nicht übersehen. Zögere nicht, Jonathan.“
Miriam verstummte, die eintretende Stille ängstigte Jonathan. „Miriam! Verlass mich nicht!“
„Ruhig, Jonathan. Von jetzt an wache ich an deiner Seite. Weißt du denn nicht mehr, was wir uns unter der alten Eiche geschworen haben?“
„Das wir immer füreinander da sein werden, egal was geschieht“, murmelte er.
Noch vor Morgengrauen hatte Jonathan ein Pferd gesattelt, sich eine alte Büffelflinte und ein Bowiemesser aus dem Waffenschrank der Handerssons genommen und nachdem er in wenigen Zeilen einige Abschiedsworte geschrieben hatte, war er aufgebrochen. Seine Reise dauerte noch immer an.
Nachdem die Männer des Aufgebots sich in ihre Decken und Felle gewickelt hatten, erinnerte Sally den Prospektor daran, dass er ihr von McLeary erzählen hatte wollen. Und so berichtete Frank zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage seine Erlebnisse mit Jonathan. Wie ihn der vor Jahren gerettet hatte, von den Monaten ihres gemeinsamen Überwinterns und den Ereignissen ihn Nome. Er schloss seinen Bericht mit dem Gespräch, dass er mit John in Ed's Saloon geführt hatte. „Das ist alles, Sally. Eigentlich nicht viel, dennoch habe ich diesen Mann in mein Herz geschlossen und ich wüsste zu gern, was ihn so quält“, schloss er und starrte nachdenklich ins Feuer.
„Ich weiß es“, murmelte Sally nach einer Weile des Schweigens.
Franks Kopf fuhr ruckartig empor.
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