Coogans Fluch (German Edition)
„Was sagst du? Wie zum Teufel ...? Ach, was soll’s, erzähl schon!“
Erstaunt blickte Sally dem Prospektor ins Gesicht. Wie war es möglich, dass sie mehr aus Jonathans Leben wusste als Frank? Schließlich zuckte sie mit den Schultern und sagte: „Dieser Narbige ermordete McLearys Eltern und seine Schwester. Zumindest erzählte er dies, als er mir den Steckbrief zeigte und mich fragte, ob ich den Mann gesehen hätte.“
Mit weit geöffneten Mund starrte der alte Prospektor Sally an, dann gruben sich tiefe Zornesfalten in seine Stirn und entrüstet schlug er die Faust in die Handfläche: „Donnerwetter, mir hat er in den fünf verdammten Monaten, die wir in seiner lausigen Hütte zubrachten, kein Sterbenswort davon gesagt, war schweigsamer wie 'n Fisch. Doch kaum hat's der Kerl mit 'ner hübschen Frau zu tun, schon quasselt er wie 'n Waschweib. Da brat mir doch einer 'nen Storch.“ Lachend schüttelte er den Kopf und seine Züge glätteten sich. „Als hätt‘ ich’s geahnt! Kein Mensch ist aus Stein. Musst ihn gehörig beeindruckt haben, dass er dir das erzählt hat.“
Sally, die bei Franks gespielter Entrüstung nicht anders konnte als zu grinsen, blickte wieder ernst und sagte: „Er hatte mich so seltsam angesehen und als ich ihn später danach fragte, meinte er dass ich aussehe wie seine Schwester. Vielleicht deswegen, ich weiß auch nicht so genau, Frank.“
Fast wäre Sally versucht gewesen, dem Prospektor ihre Gefühle Jonathan gegenüber zu beichten, hielt sich aber im letzten Moment zurück. Niemals zuvor hatte sie sich zu einem Mann so spontan hingezogen gefühlt wie zu McLeary. Ebenso wenig hatte je zuvor ein derart bohrender Wunsch nach Rache in ihrer Brust gepocht. Sie wollte erst mit sich selbst ins Reine kommen, mit jenen so unverhofft über sie hereinbrechenden Empfindungen, bevor sie darüber reden konnte.
„Darf ich dich etwas Persönliches fragen?“ Franks Stimme holte Sally aus ihren Gedanken.
„Wie? Aber natürlich, schieß los.“
„Hast du keine Angst davor, herauszufinden was mit deinem Mann geschehen ist? Ich weiß, es muss dir schwer fallen, darüber zu sprechen und ich bin dir nicht böse, wenn du nicht antwortest. Doch mache ich mir schon seit gestern Gedanken, ob du dir darüber auch im Klaren bist.“
Franks aufrichtige Besorgnis rührte Sally und als sie in seine vertrauensvollen Züge blickte, entgegnete sie: „Im Grunde schon, Frank. Ja, ich habe Angst. Doch habe ich mir im Laufe der Zeit schon alle möglichen schreckliche Dinge ausgemalt und ich brauche endlich Gewissheit. Schon viel zu lange habe ich nicht mehr richtig geschlafen. Verstehst du, Frank?“
„Sicher, Sally, aber sicher doch. Ich wollte dir nicht zu nahe treten, aber wenn du etwas brauchst, dann lass es mich bitte wissen.“ Lächelnd lehnte sich Frank zurück, kramte irgendwo einen Flachmann hervor und reichte ihn an Sally.
Der Narbige und seine Begleiter näherten sich der Wolkenwand bis auf einen halben Tagesmarsch, dann zwangen sie die völlig erschöpften Tiere zu einer Rast.
„Das ist keine Vulkanasche oder Staub. Aschewolken hätten sich längst niedergelegt“, murmelte Jim zu niemand bestimmtes. Inzwischen knisterte das Lagerfeuer und die Hunde balgten sich um ihr Fressen.
„Is' auch kein Frühlingsnebel und wenn du mich fragst, dann is' mir so was Unheimliches noch nie untergekommen“, nickte James Willroth. „Was meinen Sie, Mister Adams?“
Der Angesprochene zuckte mit den Achseln, riss mit den Zähnen ein Stück von seinem Trockenfleisch und kauend entgegnete er: „Auch mir sind diese Wolken ein Rätsel. Doch was nützen uns Spekulationen? Schlaft jetzt, wir brechen vor Sonnenaufgang auf. Dann werden wir schon sehen, ob dieser Nebel unser Vorhaben behindert.“ Ohne seine drei Begleiter eines weiteren Blickes zu würdigen, vermummte sich der Narbige in seine Decken und bald verrieten seine regelmäßigen Atemzüge, dass er schlief. Auch die drei Holzfäller sagten nichts mehr und nachdem sie ihre karge Mahlzeit beendet hatten, wickelte sich jeder in eine Decke und hing noch eine Weile seinen eigenen Gedanken nach. Bald waren die wenigen Zweige des Feuers heruntergebrannt und nur der Wind strich geräuschvoll über die schlafenden Gestalten.
Lange vor Morgengrauen weckte der Narbige die Männer und trieb sie zur Eile an. Ohne Frühstück und Kaffee zogen sie weiter. Trotz der Dunkelheit bildete die Wolkenmasse vor ihnen eine
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