Coogans Fluch (German Edition)
vermochte. Dennoch war sich Jonathan vom ersten Augenblick an gewiss, einen Berufsspieler vor sich zu haben.
Wie um Jonathans Vermutung bestätigen zu wollen, fragte der Mann: „Sind Sie für heute Abend vielleicht für ein kleines Spielchen unter Freunden zu gewinnen?“ Dabei zwinkerte er dem feisten Geschäftsmann aus Vancouver verschmitzt zu.
„Ich spiele nicht“, grunzte Jonathan.
„Darf ich die Gentleman miteinander bekannt machen?“, Sally hatte mit einem großen Tablett auf den Händen hinter dem Spieler den Raum betreten und nickte den Männern freundlich zu. „Mister McLeary, Jäger und kommt geradewegs aus Dawson. Mister McLeary, das ist Mister Maloy, ein Gentleman aus San Francisco, den, genauso wie unseren Mister Du Fresne, das Wetter hier gefangen hält.“
„Aus Dawson? Donnerwetter, da haben Sie aber ein Meisterstück vollbracht, Mister McLeary“, sagte Maloy, während er an der Stirnseite des Tisches Platz nahm. Wobei sein Blick begehrend an der Wirtin hing, die, trotz des schlichten Kattunkleides und ihrer Schürze, einen durchaus attraktiven Anblick bot. „Ach, Miss Dickins, wenn ich Sie doch nur dazu überreden könnte, dieses trostlose Land mit mir zu verlassen“, seufzte Maloy grinsend, Sally lächelte höflich und winkte müde ab. Unverzagt lachend wandte sich Maloy nun wieder an Jonathan: „Dann ist Ihnen selbstverständlich verziehen. Nach so einem Gewaltmarsch müssen Sie ja hundemüde sein. Was führt Sie eigentlich um diese Jahreszeit in diese Gegend?“
„Coogans Fluch“, Jonathan nickte dem Spieler kurz angebunden zu, dann widmete er sich den dampfenden Köstlichkeiten, die Sally auf den Tisch stellte. Saftige Steaks, der strenge, torfige Geruch wies auf Karibu hin, frisches Brot und Bratkartoffeln mit Speck.
„Ja, ja, der Wolf, der hat bald mehr Leute auf dem Gewissen als Billy the Kid und Wild Bill Hickock gemeinsam“, murmelte Maloy noch immer grinsend, doch seine Neugier schien fürs erste befriedigt, denn er ging nicht weiter darauf ein.
„Das Brot habe ich heute Morgen frisch gebacken. Langen Sie nur tüchtig zu, es ist genügend da“, sagte Sally, die bei Erwähnung des Wolfes für einen kurzen Augenblick zusammengezuckt war. Argwöhnisch beobachtete Jonathan den Spieler, der jede Bewegung und jede Geste Sallys mit unsteten, irgendwie gierigen Augen verfolgt hatte. Schon als Sally hereinkam, hatte Jonathan die Blicke Maloys bemerkt und erschrocken registriert, wie sehr ihn diese ärgerten und es nur einer winzigen Geste Sallys bedurft hätte, dass er Maloy mit Vergnügen auseinander genommen hätte.
Allerdings schien Sally Dickins die fast schon unverschämten Blicke Maloys gar nicht wahrzunehmen, dennoch glaubte der Jäger unterschwellig zu spüren, dass sie sich verstellte und wie unangenehm ihr das in Wirklichkeit sein musste. Unwillkürlich verkrampften sich McLearys Fäuste um Messer und Gabel und seine Knöchel traten weiß hervor.
Jonathan war hin und her gerissen. Aus für ihn unerfindlichen Gründen fühlte er sich dazu verpflichtet diese Frau zu beschützen. Andererseits – seit dem Tod seiner Familie hatten ihn Schicksale und Angelegenheiten anderer nicht im Entferntesten berührt und Sally wusste sich sicherlich auch ohne seinen Beistand zu helfen. Trotzdem, bei dieser Frau schien alles anders. Etwas lange verloren Geglaubtes löste Sally bei ihm aus, eine Frau, die er bis vor wenigen Minuten noch gar nicht gekannt hatte. Es war nicht nur die äußerliche Ähnlichkeit mit Miriam. In Sally Dickins Gegenwart fühlte er sich irgendwie ruhiger, gelassener, ja beinahe ausgeglichen. Keine stete Rastlosigkeit zerrte an seinen Nerven, vielmehr durchströmten ihn dieselben beruhigenden Empfindungen, die ihm bis zu diesem Tag nur Miriam hatte vermitteln können. So wie sie es auch dann noch tat, wenn sie mit ihm sprach. Wenn ihn Sally doch nur nicht so verdammt an Miriam erinnern würde. Allmählich entkrampften sich seine Finger und die Farbe kehrte in die Knöchel zurück.
„Schmeckt Ihnen Ihr Steak nicht?“, holte ihn der Geschäftsmann aus seinen Gedanken, Jonathans Teller war der einzige noch unberührte in der Runde. Der Jäger warf einen mürrischen Blick zu Du Fresne, schüttelte den Kopf und begann zu essen. Er hatte schon beinahe vergessen wie gebratenes Fleisch, frisches Brot und Kartoffeln schmeckten und je mehr er aß, desto größer schien sein Hunger zu werden.
Schweigend beendeten sie ihr Mahl.
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