Cook, Robin
»Warum ist immer alles so kompliziert? Aber sei’s drum! Dann nehmen wir eben deinen Computer. Allerdings sollten wir uns um deine Nachbarin keinen Kopf machen. Ich versperre ihr einfach die Sicht auf deinen Bildschirm. Lass uns aufbrechen und das Geheimnis lüften, sobald du zu Ende gegessen hast!«
»Da ist noch etwas, was ich dir sagen muss«, fuhr Joanna fort. »Ich habe uns lediglich Zugang zu dem Ordner mit dem Spenderinnenverzeichnis verschafft. Dabei habe ich auf dem gleichen Laufwerk auch zwei Ordner mit den Bezeichnungen Forschungsprotokolle und Forschungsergebnisse entdeckt. Nur habe ich mir leider zu diesen Ordnern keine Zugangsberechtigung eingerichtet.«
»Warum denn nicht?«, fragte Deborah mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Weil ich keine Sekunde länger in dem Raum verbringen wollte«, sagte Joanna.
»So ein Mist!«, fluchte Deborah. »Ich kann es nicht fassen! Da sind dir diese brisanten Ordner quasi ins Gesicht gesprungen, und du hast dir die Chance entgehen lassen?« Sie schüttelte genervt den Kopf.
»Du kannst dir offenbar nicht vorstellen, wie nervös ich war«, entgegnete Joanna. »Ich bin froh, dass ich in dem Raum überhaupt irgendetwas bewerkstelligt habe.«
»Wie viel länger hättest du gebraucht, uns auch zu den beiden anderen Ordnern Zugang zu verschaffen?«, wollte Deborah wissen.
»Nicht der Rede wert«, gestand Joanna. »Aber ich war total durch den Wind. Was ich heute erlebt habe, war mir eine Lehre. Als Verbrecherin bin ich eine absolute Niete. Dir ist doch hoffentlich klar, dass wir uns durch unser Tun hier strafbar machen, nicht wahr?«
»Ja, mag sein«, entgegnete Deborah beiläufig. Sie war sichtlich enttäuscht.
»Wenn es hart auf hart kommt und wir gefasst werden, können wir zumindest beweisen, dass wir uns lediglich Informationen über unsere eigenen Eizellen beschaffen wollten«, gab Joanna zu bedenken. »Das dürfte uns, wenn wir Glück haben, mildernde Umstände einbringen. Damit könnten wir aber mit Sicherheit nicht rechnen, wenn wir beim unberechtigten Eindringen in das Computersystem der Wingate Clinic zwecks Einsicht in die Forschungsprotokolle erwischt würden – was für Gründe auch immer wir anführen würden.«
»Okay«, räumte Deborah ein. »Vielleicht hast du ja Recht. Ich habe sowieso etwas anderes vor. Gib mir mal bitte die blaue Karte von Spencer Wingate!«.
»Warum?«, fragte Joanna und sah ihre Freundin erstaunt an. Sie wusste aus Erfahrung, wie impulsiv Deborah sein konnte.
Bevor Deborah antworten konnte, kam Joannas Essen. Die Kellnerin servierte das Gedeck und verschwand wieder. Deborah beugte sich erneut vor und berichtete Joanna von ihren Nachforschungen nach der Herkunft der Eizellen und ihrer Erkundung des Speisenaufzugsschachts. Außerdem berichtete sie von der polierten Hochglanztür aus rostfreiem Stahl, die in der antiquierten, verfallenen Kellergeschoss-Küche so vollkommen fehl am Platze wirkte. Als sie fertig war, sagte sie unverblümt: »Ich will nachsehen, was sich hinter dieser Tür verbirgt.«
Joanna kaute den Salat zu Ende, den sie gerade im Mund hatte, und schluckte. Dann funkelte sie Deborah wütend an. »Dafür gebe ich dir die Karte von Dr. Wingate auf keinen Fall!«
»Wie bitte?«, platzte Deborah heraus.
Joanna presste den Zeigefinger vor den Mund und sah sich erschrocken um. Zum Glück hatte Deborahs kleiner Ausbruch noch kein Aufsehen erregt.
»Ich gebe dir die Karte nicht«, wiederholte sie im Flüsterton. »Wir sind hier, um herauszufinden, was mit unseren Eizellen geschehen ist. Das war von Anfang an unser Ziel, und wir können es uns nicht leisten, unser eigentliches Vorhaben aufs Spiel zu setzen, wie sehr es dich auch reizen mag herauszufinden, was in dieser Klinik vor sich geht. Wenn die Tür unten im Keller mit einem ähnlichen Kartenschlitz gekoppelt ist wie die Tür zum Server-Raum und du dir mit der Karte von Spencer Wingate Zutritt verschaffst, ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß, dass, genau wie beim Server-Raum, irgendwo ein Alarmsignal losgeht. Und dann säßen wir ziemlich tief im Schlamassel – das sagt mir zumindest meine Intuition.«
Deborah erwiderte wütend Joannas Blick, doch schon nach ein paar Sekunden verrauchte ihre Empörung, und sie zog wieder ein freundlicheres Gesicht. Sie wollte zwar nicht hören, was Joanna gesagt hatte, doch dass sie nicht ganz Unrecht hatte, konnte sie nicht leugnen. Dennoch war sie enttäuscht. Vor ein paar Minuten noch hatte sie geglaubt, dass ihr
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