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Coole Geschichten für clevere Leser

Coole Geschichten für clevere Leser

Titel: Coole Geschichten für clevere Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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deinem Comeback. Bleib in der Juristerei, da stehen wir uns nicht so übel.«
    »Wir werden nicht gerade reich damit«, murrte Miles. »Weißt du, daß ich heute den Fall Dearborn abgeschlossen habe? Die alte Dame, die ihm den Wagen angefahren hat, bot dreihundert Dollar, und er hat eingewilligt. Wenn wir Glück haben, kriegen wir hundert vom Gericht.«
    »Was kann man in einer solchen Stadt schon erwarten? Wenn du auf Fälle mit dem großen Geld aus bist, hast du dir den falschen Partner ausgesucht.«
    »Ich habe schon den richtigen Partner«, sagte Miles lächelnd. »Es gibt niemanden auf der Welt, der beim Gin-Rommee so verliert wie du. Komm, wir spielen ein bißchen.«
    Miles lachte leise, ging zur Anrichte und nahm aus der obersten Schublade ein neues Kartenspiel. Er öffnete eben die Verpackung, als er die Haustür zuknallen hörte. Er warf Sam einen Blick zu, in dem sich Neugier und Sorge mischten.
    »Das ist sicher Ted«, flüsterte er. »Komisch – es ist doch noch ganz früh.«
    Mit schnellen Schritten ging er zur Tür. Es war wirklich Ted. Miles’ Besorgnis wuchs, als er das blasse Gesicht seines Sohnes sah. Ted war Anfang Zwanzig, hatte einen leichten Körperbau wie Miles, war aber einen halben Kopf größer. Er hatte die braunen Augen seiner Mutter, Miles’ zweiter Frau Elena ; die tiefen Augenhöhlen, die die Wärme dieser Augen verbargen, waren ein Erbe seines Vaters.
    »Was sind denn das für neue Methoden?« fragte Miles mit gespielter Lässigkeit. »Wir haben erst zehn Uhr, und du bist schon zu Hause?«
    Ted hielt sich den Ellenbogen seines linken Arms. Mürrisch sah er seinen Vater an, antwortete aber nicht. Dann ging er zu der steilen Treppe, die ins erste Stockwerk hinaufführte.
    »Ted!« (Laß dir keinen Zorn anmerken, sagte sich Miles, du kennst doch deinen launenhaften Jungen.) »Du könntest mir wenigstens antworten. Ein einziges Wort!«
    »Ich gehe nach oben«, sagte Ted.
    Das tat er mit schnellen Schritten, und Miles hörte seine Tür zuknallen. Er machte kehrt und sah Sam neben sich stehen. Auf seinem Gesicht spiegelte sich die Besorgnis, die er empfand. »Was ist los?« wollte Sam wissen. »Alles in Ordnung mit dem Jungen?«
    »Aber ja«, sagte Miles heftig. »Wie bei einem Tiger, der einem gerade ein Stück Fleisch aus dem Leib gerissen hat. Du müßtest ihn doch inzwischen kennen.«
    Sam ging zur Treppe.
    »Na, komm endlich. Worauf wartest du noch?« fragte Miles gereizt. »Du wolltest Karten spielen. Also spielen wir!«
    »Miles«, sagte Sam.
    »Was ist?«
    »Schau doch mal. Bin ich verrückt, oder blutet hier jemand?«
    Miles folgte seinem Freund, bückte sich an der bezeichneten Stelle, berührte den Punkt, den Sam berührt hatte, und starrte verständnislos auf den roten Fleck an seiner Fingerspitze. Dann verfolgte er die Richtung, aus der der junge Mann gekommen war, und entdeckte die anderen roten Spuren.
    »Soll ich mit nach oben kommen?« fragte Sam, doch Miles schüttelte den Kopf. Er nahm zwei Stufen auf einmal und zögerte auch nicht wie üblich vor Teds Zimmer. Er war hier sowieso nicht willkommen.
    Ted kam gerade aus dem Badezimmer; er hatte die Jacke ausgezogen. Sein linker Hemdsärmel war hochgerollt, und um den Unterarm lag ein weiches Handtuch. Er bedachte seinen Vater mit einem abwehrenden Blick, in dem zugleich ein Funken von Schuldbewußtsein und Scham lag. Das Handtuch wurde plötzlich zu einem unanständigen, demütigenden Gegenstand.
    »Was ist passiert?« fragte Miles. »Wo hast du dich verletzt?«
    »Ein kleiner Kratzer«, sagte Ted leise. »Ein Autounfall, nichts Ernstes. Würdest du mich bitte allein lassen, Vater? Ich möchte mich ein bißchen hinlegen.«
    »Das ist kein Kratzer«, stellte Miles fest. »Die Wunde blutet ziemlich stark. Ich möchte sie mir anschauen.«
    Er streckte die Hand aus, aber Ted wandte sich ab. »Ich habe dir doch gesagt, es ist nur eine Kleinigkeit. Hack nicht andauernd auf mir herum!« Die Handtuchkante schlug um, und Miles sah ein Stück von der Wunde. Er fuhr zusammen und hob hilflos die Hand.
    »Laß mich einen Arzt rufen. Du könntest dir eine Blutvergiftung zuziehen. Wie ist es passiert? Hast du jemanden angefahren?«
    »Der Wagen ist noch heil.«
    »Der Wagen interessiert mich nicht! Ich will wissen, was passiert ist.« Er trat so schnell vor, daß Ted ihm nicht ausweichen konnte, und packte ihn an der Schulter. »Was für ein Unfall war das?«
    »Na schön! Es war kein Unfall, sondern ein Kampf!«
    »Ein Kampf? Was für

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