Coolman und ich - Auf die harte Tour (German Edition)
Haustür gerannt und in seinen dicken Mercedes gestiegen.
»Ich kann leider auch nicht mehr bleiben«, erkläre ich. Mir ist über den üblen Plänen des Bankers der Hunger vergangen. »Ich muss zurück ins Zeltlager.«
»Nein, nein, der junge Mann war nicht mein Schwager. Ich kenne ihn überhaupt nicht. Was wollte er denn überhaupt?«
Ich verzichte darauf, sie zu beunruhigen.
Aber die Pläne des schmierigen Bankers sind gemein, und es täte mir wirklich leid, wenn die nette alte Dame nicht in ihrem Schlösschen bleiben könnte und das schöne Tal umgegraben würde.
Doch was kann ich dagegen tun? Ich habe mal versucht, in einer Woche 1039 , 50 Euro zu verdienen, weil mir zwei Russen mit dem Verlust meines linken kleinen Fingers gedroht hatten, wenn ich meine Schulden nicht bezahle. Das habe ich so gerade eben geschafft. Wie soll ich da in nur einer Woche 20 000 Euro zusammenkriegen?!
Wer’s glaubt! Ich jedenfalls nicht, und deswegen kümmere ich mich auch nicht weiter um COOLMANs phantastische Vorschläge.
Als ich die Treppe erreicht habe, kommt mir die nette alte Dame hinterhergehumpelt.
»Warte! Ich habe dir ein Hühnchensandwich eingepackt!«, ruft sie mir nach. Als ich mich umdrehe, sehe ich, dass sie nicht nur ein Lunchpaket für mich zurechtgemacht hat, sondern auch einen dunkelblauen Rollkoffer hinter sich herzieht. »Und der hier, der wurde heute Morgen für dich abgegeben.«
Mein Koffer ist da! Endlich wendet sich alles zum Guten.
»Danke!«, sage ich und nehme der netten alten Dame den Koffer ab. »Danke!«
»Nein, da ist keine Schranke. Dummer Junge, das hast du mich doch gestern schon gefragt«, erwidert sie und tätschelt mir nachsichtig den Kopf.
Ich kann gar nicht sagen, warum. Aber ich mag die nette alte Dame einfach. Ich mag sie sogar sehr!
Kleiderwechsel
Der Rollkoffer ist viel schwerer, als ich ihn in Erinnerung hatte. Aber das ist ja oft so, dass man Dinge später verklärt oder sich schönredet. Zum Beispiel meine glücklichen Zeiten mit Lena, als wir damals auf dem Kostümfest fünf Minuten lang zusammen waren. So lange, bis ich sie mit Anna aus der Nachbarklasse verwechselt habe, weil die beiden fast dasselbe Kostüm anhatten. Leider hat Lena mir nicht geglaubt, dass ich eigentlich sie küssen wollte und nicht Anna, obwohl es die Wahrheit war.
Oder auch meine Kindheit mit COOLMAN , also die Zeit zwischen vier und zehn Jahren, erscheint mir heute im Rückblick nicht mehr ganz so schlimm, obwohl es die Hölle war.
Es ist anstrengend, den Koffer die Steintreppe hinunterzuschleppen. Auf den Stufen bringen mir die Rollen überhaupt nichts, und auf der Wiese ist es dasselbe. Die Räder bleiben immer irgendwo stecken, sodass ich das schwere Teil die ganze Strecke tragen muss. Alle zehn Meter mache ich eine Pause, in der ich von dem Hühnchensandwich aus dem Lunchpaket abbeiße. Da ist es gut, dass ich mich noch nicht umgezogen habe, sonst wären meine neuen Sachen gleich schon ganz verschwitzt oder mit Mayonnaise bekleckert. Andererseits ist es um den rosa Morgenmantel natürlich auch schade, wo ich mich doch so bemüht habe, dass er keinen roten Spritzer abkriegt.
Als ich mich nach gefühlten zwei Stunden in dem schweißdurchtränkten und mit Mayo verschmierten Morgenmantel total erschöpft an dem Haufen mit der dreckigen Wäsche vorbei ins Camp Kinderglück schleppe, ist von Major Horst und den anderen Jungs nichts zu sehen. Nur Alex und Justin sitzen am Feuer und passen auf, dass die Flamme nicht ausgeht. Völlig erledigt stelle ich den Koffer ab und setze mich drauf. Alex und Justin werfen mir nur einen kurzen Blick zu, dann starren sie wieder ins Feuer.
»Und? Wer hat gewonnen? Der Wels oder dein Vater?«, frage ich Justin, als ich mich wieder etwas erholt habe.
Statt zu antworten, zeigt Justin wortlos auf einen riesigen Fisch, der mit dem Kopf nach unten an einem Baum hängt.
»Das war ein harter Kampf, Alter!«, erklärt Alex. »Justins Vater hat dabei seinen Arm verloren!«
»Der Ärmste!«, rufe ich geschockt.
Okay, Major Horst und ich, wir zwei sind wirklich nicht die besten Freunde. Trotzdem tut er mir leid, weil es mit seiner Heldenkarriere bei der Bundeswehr jetzt ja wohl Essig ist.
Ich verdrehe die Augen bei so viel Dummheit, doch das scheint Justin irgendwie falsch zu verstehen.
»Da brauchst du gar nicht solche Faxen zu machen. Mein Vater ist echt immer noch total traurig«, sagt Justin.
»Nimm’s nicht so schwer!«, versuche ich ihn zu trösten.
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