Coolman und ich. Bonjour Baguette (German Edition)
die Nase, das aus einigen einseitig fotokopierten Blättern besteht. Ich kann den Titel und auch den Rest nicht lesen, weil alles auf Französisch ist.
»Da drin hat Mahmoud echt alle seine genialen Gedanken und Pläne für den Weltfrieden aufgeschrieben«, erklärt Justin begeistert.
»Da steht sogar drin, wie man ganz leicht den Hunger auf der Welt beseitigen kann, Alter«, ergänzt Alex.
Wenn Mahmoud genug Trottel findet, die ihm seine billigen Hefte für zehn Euro abkaufen, kann er dem Hunger in der Welt schon bald mit seinem gigantischen Privatvermögen ein Ende bereiten, denke ich. Aber das sage ich natürlich nicht, weil ich Alex, Justin und den anderen, die sich hier versammelt haben, nicht ihre Illusionen rauben möchte.
»Vielleicht später«, antworte ich ausweichend.
»Später ist zu spät, Alter. Später spielen wir hier auf der Demo«, erwidert Alex und deutet auf seine und Justins Gitarre.
»Wir sind nämlich jetzt eine Protestband und nennen uns die Untoten Unterhosen«, sagt Justin. »Das wird der Auftritt des Jahrhunderts. Das darfst du echt nicht verpassen. Wir haben für Mahmoud sogar extra einen Song gemacht. Hör zu!
Er kämpft für das Gute,
er kämpft für das Recht
mit all seinem Mute,
der tolle Hecht!«
»Der tolle Hecht!?«, wiederhole ich irritiert.
»Das sagt mein Vater immer, echt«, erwidert Justin.
»Uns ist einfach kein besserer Reim auf ›Recht‹ eingefallen.« Auch Alex zuckt entschuldigend mit den Schultern. »Aber wir arbeiten noch dran.«
»Sagt doch einfach:
Er kämpft für das Gute,
er kämpft für das Recht
mit all seinem Mute,
Ist keines Herren Knecht.«
»Alter, das ist genial!«
»Du bist echt voll das Phänomen! Du reimst besser als dieser Beethoven.«
Ich erspare mir den Hinweis, dass Beethoven kein Dichter, sondern ein Komponist war. Fünf Minuten später hätte Justin es sowieso wieder vergessen.
»Willst du nicht doch bei den Untoten Unterhosen mitmachen, Alter?«
»Nein, aber danke für das Angebot«, lehne ich höflich ab.
»Echt schade, dann nimm wenigstens das.« Justin drückt mir eine von Mahmouds Bibeln in die Hand. »Schenken wir dir.«
Während die beiden sich an eine Gruppe von Mädchen heranpirschen, die Mahmoud aus der Ferne anhimmeln, stopfe ich das Heft hinten in die Hosentasche und drängele mich durch die Demonstranten, um endlich zur Haustür zu gelangen. Das ist gar nicht so leicht, weil es wirklich sehr viele Menschen sind, die sich vor dem Gartentor versammelt haben und mir nur widerwillig Platz machen. Aber das stört mich nicht. Ich tue einfach so, als würde ich die »Verräter! Verräter!«-Rufe, die sie mir zubrüllen, überhaupt nicht hören.
Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals diesen Satz aussprechen würde, aber manchmal muss man eben Prioritäten setzen, und meine Priorität lautet Lena.
Ich habe Glück.
Ausnahmsweise.
Lena öffnet mir die Tür.
»Du hast Schnüffi gefunden, nicht wahr?!«, begrüßt sie mich strahlend und sieht mich erwartungsvoll an.
Wenn ich jetzt ein braun-weiß geflecktes Kaninchen aus dem Zylinder zaubern könnte, wäre ich der Held.
Dann brauchte ich mir über unsere Beziehung keine Sorgen zu machen.
Dann hätte ich von nun an ein sattes Plus auf Lenas Sympathiekonto.
Dann wäre mein Leben in Zukunft leichter.
Leider habe ich kein braun-weißes Kaninchen.
Ich habe ja auch keinen Zylinder.
Deswegen stottere ich: »Noch nicht. Aber ich glaube, ich weiß jetzt, wo er ist.« Dabei fällt mir siedend heiß ein, dass ich noch sein Halsband ausbuddeln muss, ehe es genauso verrottet wie sein ehemaliger Besitzer.
Lenas Lächeln erstirbt, und für einen Moment befürchte ich, dass sie Gedanken lesen kann.
Um das zu überprüfen, stelle ich mir vor, wie es wäre, wenn ich ihr jetzt einen Kuss geben würde.
Keine Reaktion bei Lena.
Also kann sie es wohl doch nicht, und das finde ich sehr beruhigend.
»Komm mit, deine Eltern sind auch schon da«, sagt Lena und dreht sich um.
Ohne ein weiteres Wort zu sagen, führt sie mich durch die Villa ins Wohnzimmer. Weil das Haus so riesig ist, sind wir eine Weile unterwegs. Von mir aus könnten wir ewig so laufen. Ich finde es schön, schweigend neben Lena herzugehen.
Irgendwie ist die Stille aber auch unheimlich.
Eigentlich müsste COOLMAN jetzt irgendeinen seiner idiotischen Tipps geben, was ich zu Lena sagen soll.
Aber COOLMAN sagt gar nichts.
Das ist verdächtig.
Sehr verdächtig.
Höchst verdächtig.
Ich gebe es nur ungern zu,
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