Cop
Henkel hält wie ein Vertreter auf Kundenfang.
»Hallo«, sagt er.
»Um Himmels willen, was …«
»Ich hab eine Kugel abbekommen.«
»Aus einer Pistole?«
»Aus einem Gewehr.«
»Du musst sofort ins Krankenhaus.«
»Da war ich schon.« Zum Beweis hält er die Tasche hoch. »Die haben mir das Ding hier gegeben. War bloß ein Unfall.«
»Aha. Aber was …«
Er dreht sich um und präsentiert ihr seinen Rücken. Als er über die Schulter blickt, sieht er, wie sie das Gesicht verzieht. Doch sie schaut nicht weg, sondern beugt sich sogar vor, um die Wunde aus der Nähe zu begutachten.
»Bist du dir sicher, dass du nicht ins Krankenhaus willst?«
»Ist wirklich halb so wild.«
»Ich glaub dir kein Wort.«
»Wahrscheinlich kann ich es sogar selbst verbinden, wenn du mir kurz …«
»Red keinen Müll.«
»Was?«
»Das ist mitten auf dem Rücken. Du brauchst jemand, der dir hilft. Außer deine Arme sind aus Gummi.«
Ian sieht sie an. Bis er endlich von der Tür zurücktritt, um sie hereinzulassen.
Ian liegt bäuchlings auf dem Bett, und Monica sitzt breitbeinig auf seinen Oberschenkeln, den aufgeklappten Verbandskasten neben sich. Er sieht nicht, was sie tut, aber er spürt und hört sie. Er spürt ihr sanft geschwungenes Hinterteil auf der Rückseite seiner Beine, er hört, wie sie eine Papierverpackung aufreißt, er spürt, wie sie die Wunde mit einem Gazetupfer reinigt. Ganz vorsichtig.
»Hast recht«, sagt sie.
»Womit?«
»Ist wirklich halb so wild. Die meisten Fäden sind noch drin.«
Seit zwei Jahren hat ihn keine Frau mehr angefasst, seit er einmal im O’Connell’s trinken war und eine Studentin vom Bulls Mouth College abgeschleppt hat. Doch mit Monicas zärtlichen Berührungen hatte das wütende, besoffene Geficke von damals nichts zu tun. Er hatte ganz vergessen, dass es so etwas wie Zärtlichkeit gibt.
Als die Wunde sauber ist, gießt sie irgendeine Flüssigkeit drauf beziehungsweise rein. Das Zeug brennt wie die Hölle. Ian beißt die Zähne zusammen und atmet scharf ein.
»Tut mir leid.«
»Schon gut.«
Monica wischt noch einmal drüber, bevor sie die Wunde abdeckt. Sie berührt ihn so sanft, dass er den Schmerz beinahe genießt. Dann kramt sie wieder im Verbandskasten. Irgendetwas klimpert, irgendetwas zerreißt. Ein Stück Klebeband wird abgerollt und abgetrennt, eine frische Kompresse befestigt. Nachdem sie noch eine Minute gewerkelt hat, wirft sie alles zurück in den Kasten und klappt ihn zu.
»Fertig.«
»Kannst du noch ein bisschen bleiben?«
»Ich fürchte, das wär jetzt wirklich keine gute Idee mehr.«
»Ich weiß. Das hab ich auch gar nicht gemeint.«
»Was dann?«
Ian liegt auf dem Rücken und sieht zu, wie Monica sich auszieht. Sie nimmt sich Zeit. Erst streift sie das T-Shirt über den Kopf, dann löst sie den BH, knöpft den Rock auf und lässt ihn auf den Boden fallen. Sie trägt eine schmucklose Baumwollunterhose. Ihre Daumen schieben sich in den Gummibund und drücken den Stoff nach unten. Dichtes rotbraunes Schamhaar kommt zum Vorschein. Ihre Hüftknochen ragen hervor, ihre Brüste sind klein, die Brustwarzen hellrosa, kaum vorhanden. Ein Muttermal auf der linken Brust. So steht sie vor ihm, nackt bis auf die Haut, und blickt ihm in die Augen.
Jetzt geht sie rüber zum Bett und legt sich neben ihn, auf seine linke Seite. Er spürt ihre glatten, warmen Beine an seinen Oberschenkeln, ihre warmen Brüste auf seiner Haut, ihr raues Schamhaar an seiner Hüfte. Ihren Atem auf seiner Wange, ihren Kopf in seiner Achselhöhle. Sie legt ihre Hand über sein Herz.
»Wie schnell es schlägt.«
»Ich weiß.«
Ian starrt auf den rotierenden Ventilator. Er versucht, einem einzelnen Blatt mit den Augen zu folgen, doch er verliert es immer wieder, nach vier, fünf Umdrehungen verflüchtigt sich der Umriss in den verwischten Kreisel der restlichen Blätter. Er malt sich sein Leben nach Maggies Rettung aus. Sie könnten nach Los Angeles ziehen. Mit Monica. Maggie, Monica und er in einem Apartment in L. A. Monica ist ein liebes, sanftes, ehrliches Mädchen. Mit ihr könnte es klappen. Die Vorstellung, wieder eine Frau, eine Partnerin in seinem Leben zu haben, gefällt ihm. Er denkt an Debbie, die seit zwei Tagen verwitwet ist. Aber da ist nichts mehr zwischen ihnen. Manchmal teilt man zu viel Geschichte miteinander, die falsche Geschichte. Aus dem Buch des eigenen Lebens kann man keine Seiten ausreißen, was dort eingetragen wird, bleibt für immer stehen. Aber mit einer neuen
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