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Cop

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Titel: Cop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Jahn
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kannte, was einem Halt gegeben hat, ist verschwunden und wurde durch Neues ersetzt, das vielleicht anderen etwas bedeutet, aber einem selber nichts. Die Bäume, in denen man als Kind gespielt hat, sind längst abgeholzt und verfeuert, ihre Stämme haben sich vor Jahrzehnten in Rauch aufgelöst. Jetzt steht dort ein städtisches College, das man auch noch sauber machen soll.
    Und wenn man in den Spiegel blickt, erkennt man sich nicht wieder. Was ist das für ein Gesicht? Was ist das für ein alter, aufgedunsener Mann? Was sind das für Augen, die einem da entgegenstarren wie abgewetzte Holzknöpfe? Was ist das für ein hastig hingekritzelter Mund? Nur eins ist sicher: Das ist ein Fremder. Ein Mann, den man noch nie gesehen hat.
    Heute Morgen hat der Tonkawa County Democrat einen Artikel über ein junges Mädchen gebracht – ein junges Mädchen, das vor sieben Jahren entführt wurde, gestern Nachmittag lange genug entkommen konnte, um den Notruf zu wählen, und dann sofort wieder von der Bildfläche verschwunden ist. Am Schluss des Artikels wird der Entführer beschrieben, und die Beschreibung passt ziemlich gut auf den Mann, den man tagtäglich im Spiegel sieht. Und ja, vielleicht hat der Mann im Spiegel tatsächlich das Mädchen entführt. Aber mit einem selbst kann das doch nichts zu tun haben. Wie soll ein kleiner, unschuldiger Junge, der in den Ranken der Bäume Tarzan spielte, zu einem Mann heranwachsen, der sich mitten in der Nacht in das Zimmer eines siebenjährigen Mädchens schleicht und es aus seinem Bettchen klaut? Zu einem Mann, der wahrscheinlich noch Schlimmeres verbrochen hat? Das ist doch nicht möglich. Und trotzdem blickt einem dieser Mann jeden Tag im Spiegel entgegen.
    Warum?
    Was machen all diese Erinnerungen in deinem Kopf, Henry?
    Die Antwort ist so einfach: Hör auf, dir in die Tasche zu lügen.
    Denn er ist dieser Mann. Aber nur wegen Beatrice. Wäre Beatrice nicht gewesen, hätte er überhaupt nichts verbrochen. Nein, dann hätte er sich schon vor langer Zeit umgebracht. Er wäre an seiner eigenen Kotze erstickt, entweder auf dem staubigen Parkplatz vor dem O’Connell’s oder auf dem asphaltierten Parkplatz vorm Roberta’s. Er wäre mit drei Promille gegen einen Baum gerast oder hätte sich aus Versehen das Gesicht weggeballert. Beatrice war der erste, der einzige Mensch, der ihm das Gefühl gegeben hat, er habe etwas zu bieten. Obwohl er nicht gerade der Hellste ist, obwohl er manchmal ziemlich aus der Haut fährt, obwohl er ab und zu wegen Trunkenheit am Steuer oder einer kleinen Schlägerei im County-Gefängnis landet. (Wenn er trinkt oder richtig wütend wird, vergisst er sein kumpelhaft lächelndes, ewig schulterklopfendes Ich; er vergisst dann, sein wahres Ich im Keller seiner Seele einzusperren.) Beatrice hat zu ihm gehalten, ganz anders als seine Mutter, die ihm dauernd erklärt hat, er sei genau wie sein Vater, ein nutzloser Kerl, aus dem nie etwas werden würde, der nicht mal den Arsch hochkriegt, wenn man mit einem saftigen Tritt nachhilft. Aus dir wird auch mal ein Säufer oder ein Hurenbock oder beides auf einmal, hat sie immer gesagt.
    Doch Beatrice hat zu ihm gehalten, immer. Und deshalb kann er doch kein schlechter Mensch sein, wenn er im Gegenzug zu ihr hält. Was er getan hat, hat er nur für sie getan. Um sie glücklich zu machen.
    Aber davon hat die Zeitung natürlich keine Ahnung. Für die gibt es nur Schwarz und Weiß, Gut und Böse. Dabei hat er bloß getan, was jeder Mann tun würde, der seine Frau liebt. Davon hat die Zeitung keine Ahnung, und der Spiegel auch nicht.
    Henry sprüht Reinigungsmittel auf die Klobrille und wischt mit einem dicken blauen Papierhandtuch drüber, bevor er zur nächsten Kabine geht.
    Nach Ende seiner Schicht fährt Ian nicht auf direktem Weg nach Hause. Statt durch die Crouch Avenue zur Crockett Street zu fahren, biegt er in die Wallace Street ein und steuert seinen Mustang hinter der U-Haul-Autovermietung auf den Parkplatz von Andy Paulsons Futterladen. Was er gleich tun wird, könnte ihn seinen Job kosten, aber das ist ihm im Moment egal. Er will nicht länger zusehen, wie Andy seine Familie zu Gefangenen im eigenen Haus macht. Er kann nicht länger zusehen. Er muss handeln.
    Also steigt er aus dem Wagen, geht über den staubigen Parkplatz zum Eingang und betritt den Laden. Es riecht nach Staub, Futterpellets und Heu, ein gar nicht mal unangenehmer Geruch. Keine Spur von Andy. Es ist völlig still, als wäre hier alles schon seit

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