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Coq Rouge

Coq Rouge

Titel: Coq Rouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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schnell Bewegungen mit den Schwimmflossen, um von ihm wegzukommen. Nach ein paar Metern hielt sie inne und sah ihn fest an. Er konnte ihre Augen hinter dem Plexiglas der Taucherbrille nicht klar erkennen. Er gab ihr durch Zeichen zu verstehen, daß er keine Luft mehr hatte; aus seinem lose herabhängenden Mundstück kamen nur noch wenige Luftblasen, und ihm war klar, daß sie ihm jetzt rasch Luft abgeben mußte, sonst würde er die Ausrüstung abschnallen und an die Oberfläche gehen müssen. Er wußte nicht, ob sie sein Gesicht sehen konnte, aber er hielt den Blick fest auf sie gerichtet, als er begann, den Preßluftbehälter und den schweren Gürtel abzulegen. Da schwamm sie auf ihn zu, nahm ihr Mundstück heraus und reichte es ihm.
    Er schnallte den Luftbehälter wieder an. Sie begannen den Wiederaufstieg zur Wasseroberfläche, aber auf halbem Weg hatte es den Anschein, als hätte sie ihre Meinung geändert. Sie gab ihm ein Zeichen, daß sie unter Wasser zum Strand zurückschwimmen sollten. Carl nahm Shulamits Manometer und warf einen Blick darauf. Ihr Behälter war noch halbvoll. Er nickte, und dann schwammen sie nebeneinander auf den Strand zu, während sie ihm immer wieder das Mundstück herüberreichte.
    Als sie nur noch eineinhalb Meter Wassertiefe hatten, tauchten sie auf, rissen sich die Taucherbrillen ab und starrten auf den Strand, ohne etwas zu sagen. Es sah alles noch so aus wie vorher, als sie losgeschwommen waren.
    »Wo zum Teufel ist deine Luft geblieben?« fragte sie atemlos.
    »Es war nicht nur die Luft. Der Reservetank hat auch nicht funktioniert. Der Handgriff ließ sich bewegen, und es hörte sich an, als ob das Ventil funktionierte, aber dann passierte nichts.«
    Sie schleppten die Ausrüstung auf den Strand und besprachen kurz die Lage. Sie hatte unter Wasser Angst bekommen und wild davon phantasiert, dort unten mit einem leeren Behälter steckenzubleiben. Als sie den leeren Behälter gesehen habe, hatte sie zunächst gedacht, er wolle ihr einen unvorteilhaften Tausch anbieten.
    Die beiden Vermieter hatten sie überredet, eine komplette Ausrüstung zu mieten. Das versuchten sie wohl bei allen. Sie hatten Carl aber mit Absicht den halbleeren, nein, zu zwei Dritteln leeren Behälter gegeben.
    Wahrscheinlich nur, weil er der größere war. Er war aber nicht verdächtig leicht gewesen, nicht einmal jetzt, wo er nachweislich leer war.
    »Was sollen wir tun?« fragte sie.
    »Überhaupt nichts. Wir sagen nur, daß mein Behälter leer ist, wenn wir die Sachen zurückgeben. Und daß das Ventil zum Reservetank nicht in Ordnung ist. Nichts weiter. Das hätte auch gar keinen Sinn. Sollen wir etwa die Shin Beth holen?«
    »Kann es Absicht gewesen sein?«
    »Ja, denn so viel Luft darf einfach nicht fehlen. Und dann noch das Ventil.«
    »Dann hat man uns entdeckt.«
    »Wir bitten die ägyptischen Behörden um politisches Asyl.«
    »Mach jetzt keine Witze.«
    »Nein, Verzeihung. Hast du einen anderen Vorschlag?«
    »Wir fahren zum Hotel zurück und lieben uns, aber richtig. So daß man es hören und auf Band aufnehmen kann.«
    Als sie die Geräte zurückgaben, war nur noch ein Vermieter in der Hütte mit dem Strohdach. Er spielte den Entrüsteten, als er meinte, der Nachlässigkeit beschuldigt zu werden. Carl und Shulamit argumentierten jedoch nicht, sondern zahlten und gingen zu ihrem Platz am Strand zurück.
    Sie legten sich in die Sonne und versuchten, von anderen Dingen zu sprechen als dem unerklärlichen Zwischenfall, der vielleicht keiner gewesen war. Sie fragte ihn, ob er verheiratet oder verlobt sei. Er erwiderte, sein merkwürdiger Job habe das verhindert. Es war, als wollten sie jetzt beide persönlich werden, als wollten sie wie ein ganz normales Liebespaar erscheinen. Als sie sich auf dem Heimweg umarmten, küßten sie sich richtig.
    Zumindest empfanden sie es so und wollten es so empfinden. Im Hotelfahrstuhl mit seiner Muzak-Musik fühlte Carl sich zunehmend unbehaglich und nervös. Sein Unbehagen hatte nichts mit der Tatsache zu tun, daß möglicherweise jemand vor eineinhalb Stunden versucht hatte, ihn umzubringen. Das Gemisch aus Angst und Unsicherheit, das in ihm aufstieg, hatte vielmehr etwas mit Shulamits Forderung zu tun, sie sollten sich vor einem heimlichen Publikum lieben.
    Sie war in mehrerer Hinsicht eine der anziehendsten Frauen, die er je kennengelernt hatte. Sie war Offizier in seiner eigenen Branche, stand rangmäßig über ihm und war sicher unendlich erfahrener als er selbst.

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