Coq Rouge
Modells mit außen befestigten Hähnen, von denen zudem einer fehle, für sich genommen kaum einen Haftgrund konstituiere, obwohl das Vergehen als solches nicht bestritten werde. Man müsse es im Zusammenhang mit den übrigen Verdächtigungen sehen. Dagegen sei der Besitz von Munition für die Mordwaffe ein so belastendes Indiz, daß es den Verdacht der Mittäterschaft an einem Mord erhärte. Die Munition sei äußerst selten und in Schweden nicht erhältlich. Dieser Munitionstyp passe zur Mordwaffe, die gleichfalls sehr selten sei. Es sei höchst unwahrscheinlich, daß Hedlund rein zufällig diese Munition besitze und keinerlei Verbindung mit dem Mord habe. Hinzu komme, daß Hedlund - teils durch Verschulden seines Anwalts - sich geweigert habe, bei den Vernehmungen mitzuwirken, was im Hinblick auf den unbestreitbaren Ernst der Sache als belastend angesehen werden müsse. Das war alles. Es folgte einiges Material des Erkennungsdienstes, das die Angaben des Staatsanwalts über den Munitionstyp bestätigte, das Fehlen von Fingerabdrücken, et cetera.
Ein Raunen der Erwartung ging durch den Saal, als der Staranwalt jetzt das Wort erhielt. Er hatte versprochen, diesem Scheißkerl Jönsson die Eier abzuschneiden (eine Art von Aussage, der gewöhnlich die Forderung folgt, »das darfst du natürlich nicht schreiben«, was ein Vertrauensbeweis ist, den Gerichtsreporter fast immer respektieren, zumindest wenn er von staatsanwaltschaftlicher Seite kommt).
Der Anwalt war strahlender Laune. Er begann sanft und bewußt umständlich, bevor er die erste Falle um den immer noch mit roten Ohren dasitzenden Staatsanwalt zuschnappen ließ.
»Wenn ich den Herrn Staatsanwalt richtig verstanden habe, was im Fall von Herrn Jönsson nicht immer leicht ist«, begann der Anwalt und legte eine Pause ein, um die Zuhörer über diese Unverschämtheit in Ruhe kichern zu lassen, »soll mein Klient von ursprünglich vier festgenommenen Palästina-Aktivisten der einzige sein, den man jetzt als Terroristen in Haft nehmen kann. Stimmt das, Herr Staatsanwalt?«
Die letzte Frage hatte er fast gebrüllt. Der Staatsanwalt blätterte ungerührt in seinen Papieren und tat, als hätte er die Frage nicht gehört. Was keine besonders gelungene Taktik war.
»Ich frage. Stimmt es, Herr Staatsanwalt?« wiederholte der Anwalt mit einem dünnen Lächeln, da er sicher war, seinen Gegenspieler in eine peinliche Lage gebracht zu haben.
»Es findet noch immer eine Voruntersuchung statt, und ich habe keinen Grund, mich über deren Inhalt oder Richtung zu äußern«, knurrte K. G.
Jönsson schließlich, den Blick starr auf seine Papiere gerichtet.
»Trotz der Bedeutung, die Sie der Sache in den Medien gegeben haben, soll mein Klient also der einzige sein, gegen den Beweise vorliegen. Und diese Beweise bestehen zunächst aus einer funktionsunfähigen alten Schrotflinte, die vermutlich seit sechzig Jahren nicht mehr abgefeuert worden ist und die für einen Schützen vermutlich eine größere Gefahr bedeuten würde als für ein mögliches Wild. Darf ich Sie fragen, Herr Staatsanwalt, welche Strafe Sie für eine solche Gesetzesübertretung erwarten, da Sie das Vergehen offensichtlich für bewiesen halten?«
»Herr Vorsitzender«, wandte der provozierte Staatsanwalt jetzt ein, »dies ist ein Haftprüfungstermin, und dabei hat die Staatsanwaltschaft keinen Anlaß, sich über mögliche Rechtsfolgen zu äußern.«
Die fünf Mitglieder des Gerichts blickten den Staatsanwalt starr an. Die Oberlandesgerichtspräsidentin antwortete kurz und mit kaum hörbarer Stimme: »Es kann schon von Interesse sein zu wissen, ob die Staatsanwaltschaft der Ansicht ist, daß das mutmaßliche Verbrechen zu einer Freiheitsstrafe führen kann. Immerhin fordert die Staatsanwaltschaft, daß wir den Verdächtigen bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens in Haft behalten.«
Das war eine Ohrfeige. Der Staatsanwalt war also gezwungen, auf die offenkundig demagogische Frage des Anwalts zu antworten.
»Nein«, sagte er, »der Besitz der Schrotflinte allein kann nicht zu einer Freiheitsstrafe führen. Zwischen dieser Flinte und der russischen Pistolenmunition besteht jedoch ein himmelweiter Unterschied, und ich möchte die Aufmerksamkeit des Gerichts darauf lenken, daß der Besitz solcher Munition erstens strafbar ist, und zweitens, und dies ist sehr viel ernster, konstituiert der Besitz solcher Munition den Verdacht der Mitwirkung an einem Verbrechen, das zu mindestens vier Jahren Freiheitsstrafe
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