Cora Historical Gold - 129 - Die Novizin
gesehen!
Leichenblass hörte der Earl, wie der Priester sie zu Mann und Frau erklärte und einen Segen sprach, im dem von einem langen Leben und vielen Kindern die Rede war. Dann erscholl lauter Jubel, angestimmt von seinen Mannen, und sie sah zu ihm auf. Er sollte sie wohl küssen – vor allen Leuten. Hier und jetzt. Beinahe hätte er laut aufgestöhnt.
Eloise, die ihm auf dem Podest gegenüberstand, durchlebte Ähnliches. Der Mann, den sie soeben zu lieben, ehren und dem sie zu gehorchen versprochen hatte, erfüllte ihr Herz und all ihre Sinne, ihre Gegenwart und Zukunft. Als er sich zu dem zeremoniellen Kuss über sie beugte, entdeckte sie keinen einzigen vertrauten Zug in dem Gesicht, das sie doch über beinahe sechs Wochen Tag für Tag vor Augen gehabt hatte.
Wer war dieser Mann, der soeben ihr Herr und Gebieter geworden war?
Und wie sollte sie je sein Heim und sein Leben teilen?
Doch heute Nacht sollte sie weder sein Heim noch sein Leben, sondern sein Lager teilen. Und trotz einiger Becher vorzüglichen Weins, die sie im Lauf der Feier geleert hatte, war Eloise stocknüchtern, als die Nonnen und die Dienerinnen sie ins Brautgemach geleiteten.
Die Kammer des Earl war größer und besser ausgestattet als ihre bisherige Unterkunft, die sie mit Maria Clematis geteilt hatte. In der Mitte thronte ein großes Baldachinbett, daneben standen zwei hohe Armstühle, ein schwerer mit Schriftstücken und Pergamentrollen übersäter Tisch und zwei eisenbeschlagene Truhen für das Linnen und seine Garderobe.
Drei der kürzlich wieder gefundenen Behänge schmückten die Wände, und das Bett war mit schwerem Seidendamast drapiert. Doch beherrscht wurde der Raum von dem Kamin in einer Nische zwischen zwei verglasten Fenstern. Davor standen zwei verstellbare gepunzte Metallschirme, mit denen sich die Zirkulation der erwärmten Luft steuern ließ.
Die Nonnen hatten die Hausmägde gebeten, die Kammer zu lüften, die Bettfelle auszuschütteln, die Laken zu waschen, und die Küchenjungen angewiesen, Körbe voller Narzissen und wilder Hyazinthen im Brautgemach zu verteilen. Als sie Eloise zu Bett brachten, lag die Kammer im sanften Schein der Bienenwachskerzen, und die Luft war warm und duftete süß. Die Nonnen lächelten sich verstohlen zu, als sie die Dienerinnen hinausschickten. Dann nahmen sie Eloise den Schleier ab und halfen der angespannten Braut aus ihrem Kleid.
»Nun, Eloise«, sagte Schwester Archibalda, als sie ihr die Ärmel und das Rückenteil aufschnürten, »Eure Erziehung enthielt keine nützlichen Hinweise für die Hochzeitsnacht. Doch für alle Wechselfälle des Lebens gilt die goldene Regel: ›Willst du glücklich sein im Leben, trage bei zu andrer Glück, denn die Freude, die wir geben, kehrt ins eigene Herz zurück‹.«
Schwester Rosemarie kicherte, Schwester Maria Montpellier stöhnte leise.
»Schwestern!« Maria Clematis wurde so weiß wie ihr Gebende. »Elly, was wird denn nun aus dir? Ich meine, Seine Lordschaft ist ja ein wahrer Prachtkerl, ein Hüne von einem Mann …«
»Ach, wenn es hart auf hart kommt …«, platzte Schwester Maria Montpellier heraus, »›Augen zu und an die Englein denken!‹«
»Na, wunderbar – eine Märtyrerin des Ehebetts wird geboren!« Rosemarie ergriff Eloises Hände und tätschelte sie begütigend. »Der Allmächtige verfügte, dass Mann und Frau ein Fleisch sein sollen. Wie sollten sie sich je vereinigen, wenn das gar so garstig wäre?«
Da trat Schwester Archibalda dazwischen, um Eloise in die Wangen zu zwicken, und brachte sie ins Bett.
»Der Mann muss doch irgendwas Bewundernswertes an sich haben, Mädchen, sonst hätte unsere gute Äbtissin ihm niemals eine solche vorzügliche Braut gegeben.« Sie kniff die Augen zusammen. »Denkt heute Nacht daran, Eloise: Er hat doch sicher einen goldenen Kern.«
Als dann das stürmische Pochen an der Tür einsetzte, lag Eloise nackt im Bett und hatte sich das Haar um die Schultern gezogen, um sich vor neugierigen Blicken zu schützen. Schwester Archibalda ging öffnen, und vor ihr stand Peril of Whitmore mit hochrotem Kopf, hinter ihm die weinseligen Ritter. Die sparten nicht mit guten Ratschlägen für das nächtliche Abenteuer und erboten sich – so er denn Hilfe benötigen sollte –, ihn bei der Braut zu vertreten. Die Nonnen ließen nur den Earl selbst herein und zogen sich zurück, nachdem die fröhlichen Zecher verschwunden waren. Maria Clematis ging als Letzte. Sie sah Eloise mit tränennassen Augen an,
Weitere Kostenlose Bücher