Cora - MyLady 334 - Clay, Merilyn - Miss Tessa aus Amerika
der schlaflos verbrachten Nacht zu spüren, dennoch zog sie sich rasch an und eilte nach unten. Erst als sie mit den beiden Gentlemen auf die Straße trat, Lord Penwyck mit schmal zusammengepressten Lippen, Mr. Montgomery noch immer zornbebend, merkte sie, dass draußen ebenfalls ein Sturm dräute.
Obwohl es beinahe sieben Uhr war, war es noch stockdunkel. Dicke blaugraue Wolken hingen tief über der Stadt. In der Ferne grollte Donner, und als plötzlich ein Blitz zuckte und die Pferde scheuen ließ, erschrak auch Tessa.
»Da scheint sich was zusammenzubrauen«, murmelte Mr. Montgomery gereizt. »Sputen wir uns.«
Finster half Lord Penwyck Tessa in die Kutsche.
»Lass sie springen!« rief Mr. Montgomery seinem Kutscher zu, bevor auch er in den Wagen stieg.
Tessa setzte sich möglichst weit entfernt von Lord Penwyck auf die Sitzbank und gab vor, mit brennendem Interesse aus dem Fenster zu schauen. Allerdings war sie noch nie um diese Zeit unterwegs gewesen und fand den Anblick der morgendlichen Straßen wirklich spannend.
Während die Kutsche über das glitschige Kopfsteinpflaster rumpelte, sah Tessa, wie sich an den Straßenecken geisterhafte Schatten versammelten: Straßenverkäufer, die dem Regen trotzten und ihre Waren Blumen, Obst, Kohl und Kartoffeln – auf klapprigen Karren arrangierten, spärlich bekleidete Kinder, die sich auf regennassen Türschwellen drängten.
Einige Minuten später bog die schwarz glänzende Kutsche in eine Seitenstraße ein und hielt vor einem hübschen Stadthaus, einem in einer Reihe von roten Backsteingebäuden.
Bevor der Wagen noch richtig angehalten hatte, war Mr.
Montgomery schon herausgesprungen, rannte über den Gehsteig und hämmerte an die Tür. Lord Penwyck folgte etwas langsamer, wobei er mit einer Hand seinen schwarzen Kastorhut festhielt, den ihm der Wind vom Kopf zu fegen drohte.
Mit ängstlich klopfendem Herzen beobachtete Tessa die Vorgänge vom Kutschenfenster aus. Kaum blieb ihr Zeit, sich zu fragen, ob Deirdre tatsächlich im Haus war, als schon die Tür aufflog und Mr. Montgomery und Lord Penwyck zurückkehrten. Mr. Montgomery hatte den Arm um die weinende Deirdre gelegt.
»Oh!« Tessa hielt den Atem an, als die drei zur Kutsche eilten, dem heftigen Regen trotzend, der soeben herniederging. Beim Einsteigen schüttelten sie die Tropfen auf Tessas Pelisse und Stiefel.
»Ach Tessa!« weinte Deirdre, als sie ihre Freundin erblickte, und barg ihr Gesicht an Tessas Schulter.
Sobald die Gentlemen saßen und die Kutsche anfuhr, platzte Mr. Montgomery heraus: »Es tut mir überhaupt nicht Leid, dass ich den Schurken gefordert habe! Der Kerl verdient es nicht, am Leben zu bleiben.«
»Oh-h-h, Papa!« rief Deirdre entsetzt aus.
Tessa schloss ihre Arme fester um Deirdre.
»Sie fungieren als mein Sekundant, Penwyck«, ordnete Montgomery zornglühend an. Seine schwarzen Augen waren nun mehr schmale Schlitze.
Nach kurzem Schweigen sagte Penwyck: »Nein, Sir.«
»Was soll das heißen? Der Schurke hat meine Tochter entehrt! Ich werde nicht…«
»Ich bin nicht entehrt, Papa!« rief Deirdre aus.
Penwyck fügte hinzu: »Randall schwor, dass er sie nicht angerührt hat, Sir.« Er warf Tessa einen vorsichtigen Blick zu. »Und ich glaube ihm. Jeffrey Randall ist ein ehrlicher Mann.«
»Ich werde es dir nie verzeihen, wenn du ihm etwas antust, Papa! Jeffrey und ich, wir lieben uns. Ich werde ihn heiraten, egal was du sagst!«
»Mit dir rede ich später!« erwiderte Deirdres Vater erzürnt.
»Papa… bitte! Jefrrey hat überhaupt nichts getan!«
Flehend wandte sich Deirdre an Lord Penwyck. »Helfen Sie mir, Sir, bitte!«
Ernst sagte dieser zu Mr. Montgomery: »Mir kam es fast so vor, als wäre Randall erleichtert gewesen, uns zu sehen, Sir.«
»Das war er auch!« rief Deirdre. »Jeffrey wollte letzte Nacht nicht auf mich hören. Ich war es, die weglaufen wollte. Jeffrey sagte, er wolle unser gemeinsames Leben nicht damit beginnen, dass er mich entehrt. Das ist wahr, Papa, das ist wirklich wahr!«
»Warum hat er dich denn dann nicht heimgeschickt?«
fragte ihr Vater misstrauisch. »Du hast die Nacht mit ihm…«
»Es ist nichts passiert, Papa, nichts!«
Auf dieses aus tiefster Seele kommende Bekenntnis folgte einen Augenblick Schweigen. Schließlich sagte Lord Penwyck: »Wenn Sie gestatten, Sir, bin ich gern bereit, Mr.
Randall eine Entschuldigung zukommen zu lassen.«
Montgomery fasste seine einzige Tochter streng ins Auge.
»Du wirst das Haus nie wieder
Weitere Kostenlose Bücher