Corbins 01 - Wer Das Paradies Nur Finden Will ...
vermutete, daß mehr hinter Adams
merkwürdigem Verhalten an Feiertagen steckte, als die Familie annahm. Sehr viel
mehr. Obwohl sie Adam erst kurz kannte, bezweifelte sie, daß der Unfall allein,
so schrecklich er auch gewesen sein mochte, einen derart anhaltenden Schaden
bei ihm angerichtet hatte.
Sie richtete sich abrupt auf, als
ihr ein neuer, äußerst verwirrender Gedanke kam. Und wenn Adam nun irgendwo
eine Familie besaß, von der niemand etwas wissen sollte? Eine indianische Frau
und Kinder? Viele Männer unterhielten solche Verhältnisse, das wußte sie, und
einige von ihnen waren sogar verheiratet.
Banner schloß gequält die Augen, als
sie sich eine braunhäutige, nackte Frau in Adams Armen vorstellte. Plötzlich
glaubte sie, die heiseren Schreie zu hören, die sie bei Sean so abgestoßen
hatte ... wunderbare, lustvolle Schreie, die Adam auf dem Höhepunkt seiner
Ekstase ausstoßen würde ...
Eine Träne lief über Banners kalte
Wange.
»Was ist denn jetzt schon wieder
los, O'Brien?«
Sie öffnete die Augen, sah Adams
herablassenden Blick und streckte ihm die Zunge heraus.
Er lachte und lenkte den Wagen auf
Water Street zu. »Tut mir leid, daß ich gefragt habe«, meinte er und zuckte die
Schultern.
Und mir tut es leid, daß ich dir je
begegnet bin, dachte Banner, die überzeugt gewesen war, nach ihren schrecklichen
Erfahrungen mit Sean Malloy nie wieder einen Mann zu begehren.
Aber Adam reizte sie wie kein
anderer Mann zuvor, und sie hatte ihn sehr gern. So gern, daß sie ihn eines
Tages vielleicht sogar lieben würde ...
Ein Schauer durchströmte ihren
Körper, und Adam zog ungeduldig die Decke über ihren Knien zurecht. Die
Berührung seiner Hand löste wieder dieses seltsam warme, prickelnde Gefühl in
ihr aus. Banner war so ver ärgert darüber, daß sie Adams Hand beiseitestieß.
»Faß mich nicht an!«
Adam starrte sie kopfschüttelnd an
und lenkte den Zweispänner an all den Freudenhäusern und Tavernen vorbei, die
Banner schon am Abend zuvor gesehen hatte.
Dann erreichten sie den Kai, und
Banners Augen weiteten sich, als sie das prächtige Segelschiff erblickte, das
am Pier vertäut lag. Silver Shadow stand in silbernen Buchstaben an der
Bordwand.
An Deck standen Prostituierte in
aufreizenden Posen herum und schauten der sich nähernden Kutsche entgegen. Aus
dem Schiffsinneren war Klaviergeklimper zu vernehmen.
Eine kurvenreiche Brünette am Bug
zupfte ihre Korkenzieherlöckchen zurecht und rief mit schriller Stimme: »Hey,
Doc! Hast du Bessie ein Weihnachtsgeschenk mitgebracht?«
Adam schüttelte lachend den Kopf,
während er den Wagen anhielt. Banner schien er völlig vergessen zu haben.
»Heute nicht, Bess«, rief er dem Freudenmädchen heiter zu. »Siehst du nicht,
daß ich in Begleitung einer Dame bin?«
Bess schmollte. »Hoffentlich hast du
nicht ihr mein Geschenk gegeben, Süßer.«
Banner errötete und versteifte die
Schultern. Auf den Gedanken, auszusteigen, wäre sie nie gekommen, aber
plötzlich erschien Adam neben ihr und zog sie aus der Kutsche.
»Du wolltest Ärztin sein, O'Brien«,
meinte er halblaut. »also hör auf, dich wie eine prüde Missionarin zu benehmen.«
»Be-besuchst du diese schreckliche
Frau?« flüsterte Banner entrüstet und riß mit aller Kraft an ihrer Hand, aber
Adam ließ nicht locker.
»Stört es dich?« fragte er
belustigt.
»Nein!« log Banner energisch.
»Gut. Das reizende junge Ding in
Zimmer vier hat ein Furunkel auf dem ... auf dem Rücken. Geh und kümmere dich
darum, während ich ... eine andere Patientin untersuche.«
»Bessie, nicht wahr?«
Adam lächelte und zeigte seine
strahlend weißen Zähne. »O'Brien, O'Brien«, mahnte er sie streng. »Wann wirst
du endlich lernen? Wenn ich eine Frau haben will, brauche ich nicht dafür zu
zahlen.«
Noch Wochen später erzählte man sich
in Water Street, wie diese neue Ärztin Dr. Corbin geschlagen hatte — mitten
ins Gesicht und direkt vor der Rampe, die auf die Silver Shadow führte.
Drei
Als Adam und Banner an Deck gingen,
kam Bessie, das Freudenmädchen, mit aufreizenden Hüftbewegungen auf sie zu. Ihr
dünnes Taftkleid bot nicht den geringsten Schutz vor der steifen Brise, die vom
Meer herüberwehte. Bess zupfte kokett an ihrer Lockenfrisur und musterte Adam
mit ihren stark geschminkten Augen ausgiebig. An seiner stark geröteten Wange,
die Banners Stempel trug, blieb ihr Blick schließlich hängen.
Banner hatte sich empört im
Hintergrund gehalten, doch Adam schob sie vor. »Das
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