Corbins 01 - Wer Das Paradies Nur Finden Will ...
Saloon zurückzugehen.
Adam reichte Banner seinen Arm und
zog in gespielter Verwirrung die Brauen hoch, als sie ihn zurückstieß und
allein die Rampe hinunterstampfte.
Sie saßen schon im Wagen und waren
auf dem Weg nach Water Street, als er fragte: »Was ist los, O'Brien?«
Sie schaute ihn nicht an. »Nichts
... Corbin!«
Er lachte amüsiert. »Du liebe Güte,
hast du etwa gedacht, ich hätte mich dort auf dem Schiff den Freuden des
Fleisches hingegeben?«
»Es ist mir egal, ob du es getan
hast oder nicht.« »Das glaube ich dir nicht. Warum gibst du nicht zu, daß es
dich ärgern würde?«
Banner schaute sich mit
übertriebenem Interesse nach einen altersschwachen Spielsalon um.
»O'Brien.«
»Was ist?«
»Schau mich an!«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Weil ich dich abscheulich finde.
Als verantwortungsbewußter Arzt gehst du hin und ...«
»Genau. Als verantwortungsvoller
Arzt habe ich mir erlaubt, mir Hermiones Mandeln anzusehen.«
Banner schnaubte verächtlich.
»Mandeln! Ha! Für wie dumm hältst du mich eigentlich? Um Mandeln zu untersuchen,
braucht man sich nicht auszuziehen!«
Adam lachte entzückt. »Ich habe
meinen Rock ausgezogen, Kleeblatt, weil mir zu heiß war. Und das war alles,
was ich ausgezogen habe — zu deiner Information.«
»Ich will nichts davon hören.«
Sie spürte, wie er die Schultern
zuckte. »Na schön.« »Er hat sich ihre Mandeln angesehen!« murmelte Banner
gereizt.
»Wenn du so herumlaufen würdest wie
sie, O'Brien, hättest du auch bald entzündete Mandeln. Und wahrscheinlich
nicht nur das, sondern auch ...«
Bevor er den Satz zu Ende sprechen
konnte, kam ein Mann aus einem Saloon gestürzt und schwenkte erregt die Arme.
»Adam!« schrie der Mann. »Halt an, Adam!«
Adam zog die Zügel und sprang schon
aus der Kutsche, bevor Banner die Decke über ihren Knien zurückschlagen konnte.
»Was ist?« fragte er, während er nach seiner Arzttasche griff.
»Es ist etwas Schreckliches
passiert!« jammerte der Mann und rannte zu seinem Lokal zurück. »Komm herein —
schnell!«
Banner nahm ihre eigene Tasche und
folgte Adam in den Saloon. Als ihre Augen sich an das Halbdunkel gewöhnt
hatten, entdeckte sie eine Gruppe von Leuten, die einen Tisch umringten.
»Verdammt, geht aus dem Weg!« schrie
der Saloonbesitzer und drängte sich durch die versammelte Menschenmenge.
»Laßt den Doktor vorbei!«
Banner drängte sich rasch in die
Schneise, die sich für Adam öffnete, aber als ihr Blick auf den Gegenstand der
allgemeinen Aufregung fiel, wünschte sie fast, in die andere Richtung gerannt
zu sein.
Ein blonder junger Mann saß
regungslos am Tisch, seine rechte Hand von einem Stilett durchbohrt und auf die
Tischplatte genagelt. Der Mann war blaß und befand sich in einem starken
Schockzustand. Aus seinen Mundwinkeln tropfte Speichel auf den Boden. Er
schaute Adam flehend an, schien jedoch kein Wort hervorzubringen.
»Jesus!« stöhnte Adam, umfaßte den
Griff des Messers und zog es mit einer raschen, sauberen Bewegung heraus.
Blut spritzte aus dem schmalen
Schlitz in der Hand, und der junge Mann sackte ohnmächtig in sich zusammen.
Endlich zogen sich die Neugierigen
vom Tisch zurück, und Banner konnte Alkohol und Verbandsmaterial aus ihrer
Tasche nehmen, während Adam das blutige Messer benutzte, um den Rockärmel des
Verletzten abzuschneiden. Während Banner die Wunde reinigte, legte er einen
Druckverband an.
»Es muß genäht werden«, bemerkte
Adam, nachdem Banner die Hand des jungen Mannes verbunden hatte.
»Ich weiß«, erwiderte Banner, aber
in Wirklichkeit hatte sie es über der ganzen Aufregung und ihrem Entsetzen
vollkommen vergessen.
»Gib ihm etwas gegen die Schmerzen«,
befahl Adam, bevor er Banner zur Seite schob und den Verband wieder entfernte.
Der Junge bewegte sich jetzt und stöhnte wie ein verwundetes Tier.
Betroffen starrte Banner ihn an.
»Laudanum?« fragte sie.
»Morphium, O'Brien. Die Hand muß auf
beiden Seiten genäht werden, und die Wunde schmerzt bestimmt auch so schon wie
verrückt.«
Banner wandte sich beschämt ab und
holte aus Adams Tasche eine Spritze und eine Ampulle Morphium. Sie selber
besaß derartige Drogen nicht. Mit zitternden Händen zog sie die Spritze auf und
pumpte die Luftblasen heraus.
Befriedigt, daß die Blutung
nachgelassen hatte, löste Adam den Druckverband. »Zuerst Alkohol, O'Brien«,
sagte er.
Banner errötete bei der Erwähnung
einer so bedeutenden Einzelheit. Die aufgezogene Spritze in der einen
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