Corbins 01 - Wer Das Paradies Nur Finden Will ...
vor dem Hotel zum Stehen. »Und was?« fragte er amüsiert.
Banner errötete vor Ärger und merkte
— leider zu spät — wie geschickt er sie in die Falle gelockt hatte. »Du weißt
schon!« zischte sie.
Adam hob kapitulierend die Hände.
»Gnade, O'Brien!« sagte er lachend. »Erschieß mich nicht. >Du weißt
schon< kommt mir leider immer häufiger in den Sinn, wenn ich in deiner
Nähe bin.«
Banner zerrte die Decke herunter und
stieg hastig aus dem Wagen. »Mach, daß du nach Hause kommst!« rief sie Adam zu.
»Komm mit!« antwortete er.
Mit hochrotem Gesicht wandte Banner
sich ab und stürmte auf ihr sicheres Hotel zu. Adams Lachen verfolgte sie bis
in die Eingangshalle.
Der Schnee fiel immer stärker in den
nächsten Tagen, bis die Hausdächer unter seinem Gewicht ächzten, die Kinder aus
der Schule gehalten wurden und keine Schiffe mehr im Hafen einlaufen oder ihn
verlassen konnten.
Banner hatte ein unbehagliches
Gefühl in jenen Tagen, obwohl sie stark beschäftigt war mit Adams Klinik und
seinen Patienten. Es war, als käme etwas Bedrohliches auf sie zu, eine
unbekannte Gefahr, die sie unter sich begraben würde wie der Schnee die
Außenschuppen und Hühnerhäuser.
Im Gegensatz zu ihrer düsteren
Stimmung herrschte ein munteres, festliches Treiben im Hause der Corbins. Die
Atmosphäre war beherrscht von Geheimnissen, überall wurden Tannenzweige und
Kränze befestigt und Weihnachtslieder gesungen. Denn es hatte sich
herausgestellt, daß Clarence King, der Spieler, einen wunderschönen Bariton
besaß.
Um all dieser Fröhlichkeit zu
entfliehen, zog Banner sich an jeden stürmischen dreiundzwanzigsten Dezember zu
Maggie in die Küche zurück.
Die rundliche Frau mit den lustigen
Augen und dem wirren grauen Haar rollte auf einem Arbeitstisch Teig aus und
summte ein Weihnachtslied.
»Kein Lächeln für die alte Maggie?«
fragte sie, als Banner eintrat.
Banner schenkte sich Kaffee ein und
setzte sich mit verdrossener Miene auf eine Bank dicht am Kamin. Die Wärme des
flackernden Feuers schien durch eine unsichtbare Barriere von ihr getrennt zu
sein, denn sie erreichte sie nicht. »Ich fürchte, mir ist nicht nach lächeln
zumute«, sagte sie leise.
»Vermissen Sie Ihre Familie?«
Banner hatte keine Familie, die sie
vermissen konnte. An ihre Eltern erinnerte sie sich nur schwach, und ihre
Großmutter, die sie aufgezogen hatte, war lange vor ihrer Heirat mit Sean
verstorben. »Hört es denn nie mehr auf, zu schneien?« flüsterte sie, ohne
Maggies Frage zu beantworten.
»Doch.« Maggie beschäftigte sich
wieder mit ihrem Teig. »Es wird aufhören, und dann kommt die Sonne wieder
heraus.«
Die doppelte Bedeutung, die hinter
ihren Worten lag, tröstete Banner etwas. »Sie kochen schon seit Tagen«,
bemerkte sie. »Werden Sie nie müde?«
»Ich hebe mir meine Müdigkeit für
den Tag nach Weihnachten auf«, scherzte Maggie. »Bis dahin wage ich kaum, Atem
zu holen.« Sie zuckte die runden Schultern. »Ich habe gern die ganze Familie
hier. Es wäre kein richtiges Weihnachten für mich, wenn ich nicht alle paar
Minuten einen der Jungen von meiner Blaubeertorte verjagen müßte.«
Banner lächelte, und zum ersten Mal
seit Tagen war es echt. »Sie lieben sie sehr, nicht wahr, Maggie?«
Die alte Frau nickte. »Melissa
natürlich auch. Aber die Jungen sind mir ganz besonders ans Herz gewachsen, vor
allem Adam. Mit ihm hatten wir von Anfang an die größten Schwierigkeiten. Als
Baby wäre er fast verhungert, unser Adam. Ich glaube, deshalb koche ich jetzt
so gern für ihn.«
»Verhungert?« wiederholte Banner
verblüfft.
Maggie nickte. »Die Muttermilch
bekam ihm nicht, und er hätte das erste Jahr bestimmt nicht überlebt, wenn die
alte Martha Washington nicht gewesen wäre.«
Martha Washington? Banner hätte fast
ihrer Verwirrung Ausdruck verliehen, als sie sich an den albernen Brauch
erinnerte, Indianern die Namen berühmter Persönlichkeiten zu verleihen. »Was
hat sie getan?«
»Sie kam eines Tages zur Hütte und
sagte, sie habe gehört, wir hätten ein krankes Baby. Miss Katie war in
Tränen aufgelöst, Daniel war
unterwegs, und Adam
brüllte wie am Spieß — bis die alte
Martha die Sache in die Hand nahm. Als sie sich davon überzeugt hatte, daß
er die Muttermilch nicht annahm,
kochte sie eine Handvoll frischer Muscheln und gab ihm die Brühe. Und davon
lebte Adam, bis er zehn Monate alt war.«
Banner stellte sich die kleine Hütte
vor, die verzweifelte junge Mutter und dachte, wie vieles
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