Corbins 01 - Wer Das Paradies Nur Finden Will ...
»Ich
lasse meine Sachen abholen«, sagte sie schon an der Tür, und dann stand sie
draußen in der frischen, kalten Luft und im beginnenden Schneetreiben und
atmete auf.
Während sie zu Fuß ins Stadtzentrum
ging, zählte sie in Gedanken die wenigen Dollar, die im Boden ihres Arztkoffers
versteckt waren, und hoffte, daß sie für ein sauberes Zimmer in einem
anständigen Haus reichten.
Wie es das Pech so wollte, begegnete
sie im Eingang des einzigen Hotels Jeff Corbin. »Banner?« sagte er und blinzelte
sie verwundert an.
Ob der Herr Kapitän eine Brille
braucht? fragte sie sich und versuchte, nach einem kurzen Gruß weiterzugehen.
Aber Jeff ließ sie nicht vorbei.
»Was machen Sie hier?« fragte er mit der typischen Offenheit der Corbins.
Banner senkte den Kopf. »Ich werde
hier wohnen«, antwortete sie. »Falls ein Zimmer frei ist natürlich nur.«
Jeff nahm ihren Arm und zog sie ein
Stück weiter über den Bürgersteig, wo sie von den eintretenden Hotelgästen
nicht gehört werden konnten. »Hier?
Ich dachte, sie lebten ...«
Banner wurde langsam ungeduldig. Die
Corbins schienen es darauf abgesehen zu haben, sie andauernd irgend wohin zu
schieben oder zu ziehen. »Dr. Henderson ist zurück«, zischte sie gereizt.
»Erwarten Sie etwa, daß ich bei ihm im Haus bleibe?«
»Natürlich nicht. Das wäre ja
lachhaft. Unser Haus ...«
»Nein, Jeff«, fiel Banner ihm
kopfschüttelnd ins Wort. »Ich kann nicht in Ihrem Haus wohnen.«
»Warum denn nicht? Dort arbeiten Sie
doch auch — in der Klinik, meine ich.«
Banner hielt es für besser, ganz
aufrichtig zu sein, obwohl sie lieber Ausflüchte gemacht hätte. »Adam ist
dort«, sagte sie leise.
Nun zeigte sich Verstehen in Jeffs
Blick, aber auch eine gewisse Qual. Dennoch schien er nicht zum Nachgeben
bereit. »Gehen wir hinein«, schlug er vor. »Dann können wir darüber reden.«
Der Hotelspeisesaal war ein
bescheiden eingerichteter Raum mit Blick auf die Küste, aber er war makellos
sauber. Banner seufzte erleichtert, als ein Kellner zwei Becher Kaffee
brachte.
»Banner«, begann Jeff freundlich und
berührte in einer brüderlichen Geste ihre Hand, »lieben Sie Adam?«
Sie betrachtete die Abschürfungen an
seinen Fingerknöcheln, dann hob sie den Kopf und schaute ihm in die Augen. Sie
waren genauso intensiv blau wie die von Adam. »Ich weiß es nicht«, antwortete
sie ausweichend.
»Aber?«
Sie errötete. Verdammt, welche
Antwort erwartete er von ihr? »Wir haben Schwierigkeiten.«
Jeff grinste entwaffnend. »In
Verbindung mit Adam entstehen immer Schwierigkeiten«, gab er zu. »Aber er ist
ein guter Mann, Banner.«
Sie deutete auf seine Verletzungen.
»Sehen Sie doch, was er Ihnen angetan hat, Jeff! Oder wie Dr. Henderson
aussieht«,
Jeff lächelte. Der Bluterguß an
seinem Wangenknochen reichte fast bis an sein rechtes Auge. »Es ist nicht Adams
Temperament, das Ihnen Sorge macht, Banner?« bemerkte er mit unheimlicher
Einsicht. »Sie müssen wissen, daß alle Brüder von Zeit zu Zeit
Auseinandersetzungen haben, und als Ärztin werden Sie verstehen, was Adam
empfand, als er sah, was Henderson angerichtet hatte.«
»Es ist die Frau«, murmelte Banner
bekümmert. »Welche Frau?«
Banner spürte, wie ihr das Blut ins
Gesicht schoß. Was hatte sie gesagt? Ihr Verdacht, daß Adam irgendwo eine
Geliebte und vielleicht sogar Kinder hatte, beruhte nur auf Hirngespinsten und
ihrem tief verwurzelten Mißtrauen. Und selbst wenn es so sein sollte, welches
Recht besaß sie schon, nach nur fünf Tagen Bekanntschaft mit Adam darüber zu
sprechen?
»Banner«, beharrte Jeff sanft.
Zu ihrem Entsetzen begann sie zu
weinen. »Bitte ... es tut mir leid … ich hatte kein Recht ...«
»Sie lieben ihn«, stellte Jeff in
freundschaftlichem, aber entschiedenem Tonfall fest.
Banner nahm eine Serviette vom Tisch
und trocknete ihre Tränen. »Ich bin eine Närrin«, murmelte sie beschämt. Jeff
lachte. »Nein.«
»Ich war früher immer so vernünftig ...«
Er hob die breiten Schultern. »Und
das hat sich geändert, seit Sie Adam lieben?«
»Ja. Ich weiß nicht mehr, was ich
denken soll. Ich empfinde etwas, und ganz plötzlich etwas völlig anderes ...«
»Und Sie glauben, er hätte eine Geliebte.«
Banner hätte gern etwas entgegnet,
aber es fiel ihr beim besten Willen nichts ein. So nickte sie nur stumm.
Jeff schien plötzlich durch sie
hindurchzusehen und starrte aus dem Fenster in den dichten Schnee ... Möglich,
daß er an den Unfall dachte, dem sein Vater
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