Corbins 02 - Wer ein Laecheln des Gluecks einfaengt...
Natürlich war ihm bekannt, daß Jeff Corbin noch lebte — alle waren
in jener Nacht zum Hafen gestürmt, einschließlich Adam und Banner Corbin. Es
war Adam gewesen, der Jeff im Wasser entdeckt und ihn halbtot an Land gebracht
hatte, und irgendwie war es den Corbins in ihrer lächerlichen kleinen Klinik
gelungen, Jeff am Leben zu erhalten.
Den Mut zu einem neuen Mordversuch
hatte Temple damals nicht gehabt, weil der Verdacht unweigerlich auf ihn
gefallen wäre. Aber es war auch gar nicht nötig gewe sen, denn wie es schien,
brachte Jeff nach dem Verlust seines Schiffes keinen Lebensmut mehr auf, und
Temple gab sich gern damit zufrieden, der Natur ihren Lauf zu lassen ... Doch
nun erfaßte ihn unbändiger Zorn. Jetzt war alles anders — ganz, ganz anders.
Anscheinend hatte Jeff sich von
seiner Depression erholt und ausgerechnet das einzige menschliche Wesen auf der
Welt geheiratet, das wußte, daß Temple für den Anschlag auf Jeffs Schiff
verantwortlich war. Falls Fancy bereit war, es öffentlich zu bezeugen,
riskierte Temple, gehängt zu werden für den Tod der zwölf oder mehr Seemänner,
die bei der Explosion ums Leben gekommen waren.
Temple atmete mehrmals tief ein, um
sich zu beruhigen und einen klaren Gedanken zu fassen. Er hatte Fancy suchen
lassen und mehrere Männer auf ihre Fährte geschickt, aber immer vergeblich.
Wenn sie Fancy gefunden hätten, wäre ihm nichts anderes übriggeblieben, als
sie zu heiraten oder umzubringen, um zu verhindern, daß sie ihn dieses
Anschlags beschuldigte.
Doch diese beiden Möglichkeiten
waren nun ausgeschaltet.
Temple sah, daß das Telegramm aus
Colterville kam, einer kleinen Ortschaft nicht weit von Wenatchee, und er
wußte, daß er sich sofort auf die Reise dorthin machen mußte.
Mit grimmigem Gesicht, weil er nie
den Wunsch verspürt hatte, Fancy etwas anzutun, ging er hinaus, um seine
Männer herbeizurufen.
Es stellte sich heraus, daß das Mädchen Jewel Stroble
war, die Tochter des Mannes, der den alljährlichen Rummelplatz in Colterville
organisierte.
»Halte sie lieber im Auge, Fancy!«
meinte Phineas warnend, als Jewel zum dritten Mal für eine Ballonfahrt
bezahlte.
Obwohl Fancy keine Sympathie für das
dralle Bauernmädchen in dem engen, bedruckten Kleid empfand, empörte es sie
doch, daß die ganze moralische Verantwortung auf Jewel lasten sollte. Jeff war
schließlich ein erwachsener Mann und mußte sich daher über die Bedeutung eines
Ehegelübdes im klaren sein, oder?
»Ich verstehe sowieso nicht, warum
du ihn den Ballon fliegen läßt«, entgegnete Fancy schmollend.
»Wir haben ein Abkommen getroffen«,
antwortete Phineas und warf Fancy einen ungewohnt neugierigen Blick zu.
Jeff lächelte Jewel an, als der
Ballon sich von neuem in die Luft erhob, und Fancy schaute ihnen mit schmalen
Augen nach. Wo war Jeff die ganze Nacht gewesen? Bei Jewel Stroble? Bisher
hatte sie angenommen, er habe neben Phineas' Wagen geschlafen.
Zu stolz, um Phineas danach zu
fragen, sagte sie mit falscher Fröhlichkeit: »Ich muß arbeiten«, und als sie
sich abwandte und ging, raschelten ihre Röcke.
Gegen Mittag erschien Mister Stroble
und brachte Fancy die vereinbarten zwei Dollar. Als er ihr das Geld übergab,
wurde er rot und räusperte sich mehrmals umständlich. Und wieder hatte sie das
Gefühl, daß er ihrem Blick auf verdächtige Weise auswich.
Fancy steckte das Geld ein und
preßte die Lippen zusammen, damit sie ihn nicht aufforderte, besser auf seine
Tochter aufzupassen.
Der Nachmittag zog sich mit
entnervender Langsamkeit dahin, und Fancy brachte ihr Vorstellung fehlerlos,
aber ohne Enthusiasmus hinter sich. Nicht einmal schaute sie zum Ballon
hinüber, aus Angst, was sie dabei sehen könnte, und sie war froh, als es Zeit
wurde, Hershel in seinen Käfig zu verbannen und ihre Sachen fortzuräumen.
Phineas kochte über dem Lagerfeuer
das Abendessen, aber Fancy hatte der Ärger der Appetit verdorben. Nachdem sie
Hershel gefüttert hatte, schlenderte sie langsam zum Bach hinunter, um allein
zu sein.
Auf den Decken lag noch immer das
Paket, und bei seinem Anblick spürte Fancy, wie sich ein Klumpen in ihrer
Kehle bildete. Wie konnte sich alles in solch kurzer Zeit so ändern?
Sie streckte ihre zitternden Hände
nach dem Paket aus und zog sie dann wieder zurück.
»Warum machst du es nicht auf?«
Fancy versteifte sich. Sie hatte
Jeff seit dem frühen Morgen nicht gesehen, und nun stand er direkt hinter ihr.
Aus Angst vor seinem spöttischen
Blick wagte sie
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