Corbins 03 - Wer dem Zauber der Liebe verfaellt...
mich beauftragt,
Ihrer Familie zu telegraphieren. Sie will das Geld ...«
Er rührte sich nicht. »Und Sie haben
sie hintergangen. Mir zuliebe. Warum, Tess?«
Tess strich mit der Hand über ihre
Augen, aber die Tränen flossen weiter. »Ich weiß es nicht«, sagte sie schließlich
leise. »Ich weiß es wirklich nicht. Meine Mutter ... meine arme Mutter ...«
Keith zog sie an sich und hielt sie
in den Armen wie ein weinendes Kind. »Was ist mit Ihrer Mutter, Tess?« fragte
er sanft. »Was ist mit ihr?«
Tess gab keine Antwort.
Fünf
Es dauerte nur wenige Minuten, bis Keith sein Lager
abgebrochen und den Maulesel angeschirrt hatte. Aber während dieser Minuten
verfluchte er die beiden Brüder, die er so liebte, daß er jederzeit für sie
gestorben wäre. Warum ließen sie ihn nicht in Frieden? Sie waren beide
intelligente Männer; sie mußten doch wissen, daß er zurückkommen würde, sobald
er dazu bereit war ...
Dann hielt er inne und schaute Tess
an, die im hellen Mondschein neben seinem Wagen stand und ihn hilflos
beobachtete.
»Ich möchte mit Ihnen fahren«, sagte
sie schüchtern.
Keith hatte das Halfter des
Maulesels überprüft, das warme, staubige Fell des Tiers streifte seine Hand.
»Nein.«
»Ich kann nicht zu meiner Tante
zurück«, beharrte Tess. »Wenn sie erfährt, daß ich sie betrogen habe, wirft sie
mich hinaus. Ich hätte keine Arbeit mehr, und meine Mutter ... meine Mutter
würde . .«
Keith drehte sich zu der so kindlich
wirkenden jungen Frau um und verfluchte von neuem seine Brüder. Am liebsten
hätte er sich von ihnen finden lassen — aber nur, um ihnen den Hals umzudrehen,
wenn er sie sah.
Ein schwaches Lächeln spielte um
seine Lippen. Es geschähe Adam und Jeff nur recht, fünftausend Dollar für einen
Tritt in den Hintern zu zahlen! »Erzählen Sie mir von Ihrer Mutter«, forderte
er Tess auf.
Tess straffte die Schultern und rieb
ihre Oberarme, um sich zu wärmen. »Sie war Schauspielerin, in St. Louis.
Aber sie war auch die Geliebte eines
Mannes namens Asa Thatcher, eines sehr erfolgreichen Anwalts.« Sie brach ab.
Ihre Züge verhärteten sich, und ein haßerfüllter Blick erschien in ihren schönen
grünen Augen.
»Eines Tages beschloß Mister
Thatcher — er ist mein Vater, aber das ahnten Sie sicher schon —, daß er Mama
und mich nicht mehr unterhalten
wollte. Er schickte Leute, die uns aus dem Haus warfen, und wir kamen hierher,
weil es keinen anderen Ort gab, an den wir hätten gehen können.
Mama war jung und hübsch, und sie
hätte weiterhin Schauspielerin sein können, sich einen Mann suchen oder
einen neuen Liebhaber, aber sie tat
es nicht. Sie wurde immer stiller, immer schwächer, bis Tante Derora und ich
sie eines Tages nach Portland in ein Sanatorium bringen mußten.«
Keith dachte an seine eigene schöne,
intelligente Mutter, mit ihrem scharfen Verstand und ihren schockierenden
politischen und moralischen Ansichten. Er versuchte, sich Katherine Corbin in
einem Asyl vorzustellen und konnte es nicht. »Ist sie noch immer dort?« fragte
er rauh.
Tess schluckte und nickte dann. Sie
zitterte vor Kälte, und Keith ging zum Wagen, um etwas zum Überziehen für sie
zu holen.
In seinem viel zu großen Anzugjackett
wirkte sie so rührend kindlich, daß ihm das Herz weh tat bei ihrem Anblick. Sie
hatte nicht gesagt, daß sie das Wohl ihrer Mutter aufs Spiel gesetzt hatte,
indem sie ihm Deroras Plan verriet, aber das war auch gar nicht nötig. Wieder
kam ihm der Gedanke, Tess selber zum Telegraphenamt zu fahren, und dann in Ruhe
das Erscheinen seiner älteren Brüder abzuwarten. Und wenn sie kamen ...
Aber die Idee gefiel ihm nicht. Sie
war wie eine Schachpartie, diese Situation, und wenn er sich von Adam und Jeff
finden ließ, war sein König in Gefahr, sozusagen, und sie würden das Spiel
gewinnen. Nicht einmal die Vorstellung, daß es sie fünftausend Dollar kosten
würde, tröstete ihn — für seine Brüder war es nur ein Taschengeld. Und selbst
wenn er ihnen ihre arroganten, aristokratischen Corbin-Nasen einschlug — eine
Vorstellung, die mit einem gewissen Reiz verbunden war —, hätten sie trotzdem
gewonnen und ihren kleinen Bruder wiedergefunden. Und nur das zählte, wenn man
alles ganz genau bedachte.
Außerdem durfte er diese kleine
Nymphe nicht vergessen, die alles geopfert hatte, um ihm zu helfen. Wie konnte
er sie zu ihrer Tante zurückschicken und guten Gewissens weiterziehen?
Im übrigen war es ein verlockender
Gedanke, mit Tess weiterzuziehen,
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