Corbins 03 - Wer dem Zauber der Liebe verfaellt...
eine
winzige Küche besaß und ein >Gästezimmer<, das jedoch nicht viel mehr als
eine schmale Koje war.
Doch für Tess war es ein Palast, ihr
eigenes kleines Reich, das ihr niemand nehmen konnte.
Asa hatte ein Konto für Tess
eröffnet, so daß sie Geld genug besaß, um leben zu können, bis ihr Geschäft
Gewinn abwarf. Es erfüllte Tess mit Stolz, eine kleine Summe abzuheben und
einige Dinge für ihr Haus kaufen zu können — eine Teekanne, Geschirr,
Handtücher, Bettlaken und Lebensmittel. Sie fühlte sich reich wie nie zuvor,
und das erleichterte ihr den Abschied von ihrer Mutter beträchtlich.
Asa und Olivia reisten noch am
gleichen Tag nach St. Louis ab. Sie wollten den Zug nehmen und kleine
Zwischenstops einlegen, um sich die Gegend anzusehen, wie Asa sagte. Der
eigentliche Grund war natürlich, Olivia die lange Reise so angenehm wie möglich
zu machen.
Asas hingebungsvolle Zuneigung zu
ihrer Mutter war ein solcher Trost für Tess, daß es ihr gelang, ihren Groll
gegen Asa beim Abschied endlich zu überwinden und sich aus ehrlichem Herzen
über ihr Glück zu freuen.
Als sie später mit einem mürrischen
Rod und einer heiteren, unbeschwerten Emma in die Stadt zurückfuhr, vergoß
Tess sogar ein paar Tränen. Sie war jetzt allein. Ganz allein und nur auf sich
gestellt ...
Es wurde ihr noch deutlicher bewußt,
als die Kutsche vor ihrem Laden hielt und Emma und Rod sich von Tess
verabschiedeten, um zum Hotel zurückzufahren.
Während Tess der Kutsche nachsah,
bemühte sie sich, ihre eigenen Ängste zu unterdrücken und darüber nachzudenken,
was aus Emma werden würde. Eine Ehe ohne Liebe, und noch dazu erzwungen, war
von vornherein zum Scheitern verurteilt und konnte nichts Gutes bringen.
Tess runzelte die Stirn, als sie
ihre Ladentür aufschloß. Sie würde ein Auge auf Emma haben müssen, die sich nun
Missis Roderick Waltam-Thatcher nannte und sowohl den Tod ihres Vaters wie die
Entfremdung von ihrer Mutter vergessen zu haben schien. Aber so war Emma eben,
ein Sonnenkind und dazu geboren, nichts anderes als die Sonnenseite des Lebens
zu sehen.
Summend stieg Tess die Treppe zu
ihrer Wohnung hinauf und schaute sich voller Stolz um. Dann packte sie das
Geschirr aus, stellte Wasser in ihrem neuen Teekessel auf und begann das
Besteck abzuwaschen und einzuräumen.
»Tess«, sagte eine vertraute,
langersehnte Stimme hinter ihr.
Tess hielt in der Bewegung inne und
rührte sich nicht. Keith? Hatte sie seinen Namen laut gesagt? Sie glaubte es
nicht, aber sie konnte auch nicht sicher sein. Vorsichtshalber drehte sie sich
nicht um. »Du könntest auch klopfen«, sagte sie anklagend.
»Wogegen?« entgegnete er leise.
Heiser.
Eine vernünftige Frage. Immerhin
hatte sie vergessen, die Tür zu ihrer Wohnung zu schließen. Es war ein Glück,
daß es Keith war, der hereingekommen war, und nicht irgendein ... ein Wüstling.
Aber worin bestand der Unterschied?
Tess schloß die Augen und atmete
mehrmals tief durch, um ihr aufgeregt klopfendes Herz zu beruhigen.
Dann war Keith hinter ihr, legte ihr
die Hände auf die Schultern und drehte sie sanft zu sich herum.
»Ich liebe dich«, sagte er.
Die Worte waren ein solcher Schock
für Tess, daß es ihr die Sprache verschlug und sie nichts mehr hörte oder sah —
außer der Kette um Keith' Hals mit dem goldenen Ring daran.
»Tess.«
Sie riß sich los und wandte sich von
ihm ab. »Der Ring. Amelie«, flüsterte sie mit gebrochener Stimme. »Geh. Bitte
geh.«
Doch Keith ging nicht. Sie hörte ein
klirrendes Geräusch und sah plötzlich Ring und Kette auf dem Tisch liegen. »Ich
liebe dich«, wiederholte Keith ernst.
Tess starrte auf das Häufchen Gold
und richtete dann den Blick auf Keith. Auf sein geliebtes Gesicht. »Wenn du
mich als Mätresse willst ...«
Er schwieg und beobachtete sie nur.
War es Spott, was in seinen blauen Augen funkelte oder zärtliche Belustigung?
»Das werde ich nie sein.« Tapfere
Worte, dachte sie bei sich. Wenn er sie jetzt küßte, würde sie ihre eigenen
Worte Lügen strafen — sie konnte gar nicht anders.
Er kam näher und näher, und Tess
begann zu zittern, als er ihr Gesicht zwischen beide Hände nahm, seine Finger
in ihrem Haar vergrub und mit den Lippen ihre Schläfe streifte.
»Warum hast du mir nie gesagt, daß
du einmal Prediger warst?« fragte sie aus lauter Verzweiflung, weil sie
spürte, wie sich eine vertraute Hitze in ihr auszubreiten begann.
»Du hast mich nie danach gefragt«,
murmelte er, und jedes Wort war wie ein
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