Corbins 03 - Wer dem Zauber der Liebe verfaellt...
seinem schweren Parfüm erfüllte,
das Tess wünschen ließ, sämtliche Fenster aufzureißen.
Cedrick küßte galant ihre Hand. »Sie
haben es sich also doch noch anders überlegt. Wie bezaubernd Sie sind, Tess ...«
Es sollte meine Hochzeitsnacht
werden! hätte Tess am
liebsten laut geschrien.
»Meine Schwester freut sich schon
darauf, uns zu begleiten«, warf Rod lächelnd ein. »Nicht wahr, Liebes?«
Tess warf ihm einen bösen Blick zu.
Sie saß in der Falle. Entweder lief sie die ganze Nacht wie ein Gespenst durch
ihren Laden oder sie überstand den Abend, indem sie zu den Goldens zum Essen
ging. Denn in ihrem Herzen wußte sie, daß Keith nicht kommen würde, daß es
keine Hochzeit gab.
»Ja«, sagte sie lahm, ohne Rod,
Cedrick oder Emma anzusehen. »Ja.«
»Wunderbar!« säuselte Cedrick und
bot ihr seinen Arm, den Tess nur äußerst widerstrebend nahm.
Er stürzte in einen Tunnel, überschlug sich ein über das
andere Mal. Als er sich dem gleißenden Licht am Ende des Tunnels näherte,
wurden seine Bewegungen langsamer, und er begann zu schweben.
Er schien völlig körperlos zu sein,
obwohl ihm bewußt war, wer er war.
Der Tunnel löste sich auf, und Keith
befand sich an einem Ort, den er erkannte und doch nicht genau beschreiben
konnte.
Und sie war da. Amelie. Sie kam
lächelnd auf ihn zu. Unverletzt und lebendig.
Unmöglich.
Sie sprach zu ihm mit einer Stimme,
die nur sein Herz vernehmen konnte. »Keith.«
Er versuchte nicht, sie zu berühren,
weil er das unangenehme Gefühl hatte, daß er sie nicht sah, wie sie war,
sondern wie er sie in Erinnerung hatte. Allmächtiger, was war nur los mit ihm? Er konnte sie
nicht sehen, sie war tot. Er war dabei gewesen, als sie gestorben war, hatte es
selbst gesehen ...
»Geh zurück«, sagte sie.
Das Licht war heilender, festigender
Natur. Keith hatte keine Eile, es zu verlassen. Aber da war Tess . Tess war
nicht bei ihm ...
»Sie wartet«, sagte Amelie lächelnd.
»Und im Dezember wird sie dir ein Kind gebären.«
Tess, dachte er ungestüm, verzweifelt. Tess,
Tess...
Und dann glitt er durch den Tunnel
zurück, fort von dem heilenden Licht, fort von Amelie. Er öffnete die Augen und
sah die häßlichste Krankenschwester, die ihm je begegnet war.
»Aha«, bemerkte sie. »Sie sind also
wach.«
Sie sprach mit starkem Akzent —
deutsch vermutlich. »Ich hatte gerade den verrücktesten Traum ...«
»Wie heißen Sie?«
»Keith Corbin. Ich muß jetzt gehen.
Ich wollte heute heiraten.«
»Sie gehen nirgendwohin!« befahl die
Nonne barsch. Keith schloß gequält die Augen. »Aber ...«
»Heute nacht werden Sie nicht
heiraten, mein Freund«, fügte sie etwas freundlicher hinzu.
»Was ist passiert?« fragte Keith
verwirrt. Sein Kopf schmerzte, seine Schulter, und ihm war sterbensübel.
»Sie sind angeschossen worden und
haben sehr viel Blut verloren. Schlafen Sie jetzt, ja? Heiraten können Sie ein
andermal.«
Keith seufzte. Von den Schüssen
wußte er nichts. Aber er erinnerte sich an eine Frau, die ihn gerufen und
>Joel Shiloh< genannt hatte. Sie war ihm irgendwie bekannt vorgekommen
... ah ja, sie war die Frau des Ladenbesitzers aus Simpkinsville
Das Wort >Frau< erinnerte ihn
wieder an Tess. Er mußte ihr eine Nachricht zukommen lassen. Dringend. »Benachrichtigen
Sie bitte Miss Bishop, Herald Street Nummer Zwölf.«
»Morgen. Heute schlafen Sie.«
»Bitte ...«
»Schlafen!« sagte die Nonne streng.
Keith schloß die Augen und hoffte,
daß er nicht wieder diesen verwirrenden Traum hatte ...
Die Unterhaltung während des Dinners
war ein Alptraum für Tess, und der Versuch, etwas zu essen, noch schlimmer.
Sie hörte kaum zu, als Cedrick und Rod sich über eine Schießerei unterhielten,
die am Nachmittag auf offener Straße stattgefunden hatte.
Doch als das Wort >Hausierer<
fiel, horchte sie entsetzt auf.
»Ein Hausierer?« fragte sie
und sprang auf. »Ist er ... tot?«
Cedrick schaute sie nur verwundert
an. Tess hätte ihn am liebsten geschlagen.
»Ist er tot?« schrie sie ihn an.
Cedrick wurde ein bißchen blaß, dann
zuckte er mit den Schultern. »Setzen Sie sich, meine Liebe. Was macht das
schon?«
Tess versetzte ihm eine schallende
Ohrfeige, mit aller Kraft, die ihr zur Verfügung stand. Dann rannte sie blindlings
aus dem Zimmer. Ein Hausierer — tot. Erschossen. Blut.
Die Tür. Wo zum Teufel war die
verdammte Tür?
Rod holte sie ein und hielt sie
zurück. Oder versuchte es zumindest. Doch Tess trat und schlug nach ihm, bis
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