Corum 01 - Der scharlachrote Prinz
wo alles ihm fremd war. Er wußte nichts von dieser Welt, einer Welt, die von Mabden beherrscht wurde. Wie stolz seine Rasse gewesen war! Und wie töricht! Hätten sie sich nur mit der Welt um sich herum beschäftigt, anstatt abstrakten Studien nachzugehen.
Corum senkte den Kopf.
Die Markgräfin schien seine Gefühle zu verstehen. Sanft legte sie ihre Hand auf seinen Arm. »Kommt, Prinz Corum. Ihr müßt Euch stärken.«
Er ließ sich von ihr in einen Raum führen, wo eine Tafel nur für zwei gedeckt war. Das Mahl - hauptsächlich Früchte und genießbare Algen - war viel mehr nach seinem Geschmack als jegliche bisherige Mabden-Nahrung, die er kannte. Erst jetzt bemerkte er, wie hungrig er doch war und wie schrecklich müde. Seine Gedanken begannen sich zu verwirren. Nur noch eines schien Realität zu haben - der Haß, den er für Glandyth empfand, und die Rache, die er bald nehmen würde.
Sie unterhielten sich nicht während des Mahls, aber die Markgräfin beobachtete ihn insgeheim die ganze Zeit. Einoder zweimal öffnete sie die Lippen, um etwas zu sagen, aber ließ es dann doch.
Das Gemach, in dem sie speisten, war klein und mit kostbaren Wandteppichen behangen. Als er gesättigt war und begann, den Einzelheiten dieser Wandbehänge Beachtung zu schenken, verschwammen sie plötzlich vor seinem Auge. Er blickte die Markgräfin fragend an, aber ihr Gesicht war ausdrucklos. Sein Kopf fühlte sich leicht. Er hatte keine Herrschaft mehr über seine Glieder.
Er versuchte Worte zu formen, aber kein Laut drang über seine Lippen.
Man hatte ihm etwas in das Essen gemischt.
Die Frau hatte ihn vergiftet.
Wieder war er den Mabden in die Falle gegangen.
Er stützte den Kopf auf seinen Arm und sank gegen seinen Willen in tiefen Schlaf.
Wieder träumte Corum.
Er sah Burg Erorn, wie er sie verlassen hatte, als er zu seiner Reise aufbrach. Er sah das weise Gesicht seines Vaters, sah, wie er den Mund bewegte, und versuchte die Worte zu vernehmen, aber er konnte nichts hören. Er sah seine Mutter bei der Arbeit, sah wie sie ihre letzte Abhandlung über ein mathematisches Problem niederschrieb. Er sah seine Schwestern, die zur neuesten Komposition seines Onkels tanzten.
Es war eine friedlichheitere Atmosphäre.
Aber nun erkannte er, daß er ihre Handlungen nicht verstand. Sie schienen ihm so seltsam, so zwecklos. Sie waren wie ahnungslos spielende Kinder, die nichts von der Bestie wußten, die schon auf sie lauerte.
Er versuchte zu schreien - sie zu warnen -, aber er hatte keine Stimme.
Er sah Flammen in den Räumen - sah Mabden-Krieger, die ungehindert durch die unverschlossenen Tore eingedrungen waren und von den Bewohnern der Burg nicht einmal wahrgenommen wurden. Höhnisch lachend hielten die Mabden ihre brennenden Fackeln unter die seidenen Vorhänge und die exquisiten Möbel.
Und nun sah er seine Familie erneut. Sie war der Flammen gewahr geworden und suchte nach ihrem Ursprung.
Sein Vater erreichte einen Saal, in dem Glandyth-a-Krae Bücher auf den in der Mitte des Raumes errichteten Scheiterhaufen warf. Sein Vater starrte ihn überrascht an. Seine Lippen bewegten sich, und seine Augen blickten fragend, ja fast höflich erstaunt.
Glandyth wandte sich grinsend ihm zu und zog die Streitaxt aus dem Gürtel. Er hob sie -
Nun sah Corum seine Mutter. Zwei Mabden hielten sie, während ein dritter ihren nackten Körper vergewaltigte.
Corum versuchte dazwischenzuspringen, aber etwas hielt ihn fest.
Er sah seine Schwestern und Kusine das gleiche Geschick erleiden wie seine Mutter. Auch hier war der Weg zu ihnen durch etwas Unsichtbares versperrt.
Er kämpfte verzweifelt gegen die Barriere an, aber nun schlitzten die Mabden bereits die Kehlen der Mädchen auf. Sie zuckten und starben wie
erschlagene Rehe. Corum begann zu weinen.
Er weinte immer noch, aber er lag gegen einen warmen Körper gepreßt, und wie aus weiter Ferne hörte er eine tröstende Stimme.
Jemand strich sanft über sein Haar, und der Busen, an dem sein Kopf ruhte, wiegte ihn leicht.
Einen Augenblick lang versuchte er sich zu befreien, aber die Frau hielt ihn fest.
Wieder begann er zu weinen, heftiger diesmal, und Schluchzen schüttelte seinen Leib, bis er erneut in Schlaf sank. Doch nun schlief er traumlos.
Er erwachte von noch unbestimmten Gedanken gequält. Eine Unruhe befiel ihn, daß er viel zu lange geschlafen hatte, während er eigentlich schon längst auf sein und etwas tun müßte. Er versuchte im Bett aufzusitzen, sank
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