Coruum Vol. 2
Ich sah um ihn herum und verstand nur zu gut, warum er angehalten hatte. Halb im Wasser des Sees versunken lag eine Doppelachse seines Trucks, fast bis zur Unkenntlichkeit verbogen. Drei der vier Reifen waren ohne Luft. »Damn! Wer soll mir das bezahlen?«, fauchte er, und das erste Mal klang so etwas wie tiefe Verzweiflung aus seiner Stimme.
»Das kriegen wir bestimmt hin«, hörte ich mich sagen, »im Gesamtkontext des entstandenen Schadens und Ihrer Verdienste um unsere Rettung ist das wohl eher nur eine kleine Position!«
Seine Augenbrauen zogen sich über der mächtigen Nase zusammen. »Das habe ich gehört, Scotsman, das werde ich nicht vergessen!« Dann grinste er und ging weiter.
Auf der Rückseite des Felsens konnten wir auf ihn hinaufklettern. Bei dem Baum handelte es sich um eine Zapote. Die Wurzeln hatten sich über Jahrzehnte in den porösen Kalkuntergrund gebohrt und dieser hatte in Form dieses kolossalen Felsens den Baum mit in die Tiefe gezogen, als er vor zwei Nächten einbrach. Der Stamm war oberhalb der Brettwurzeln abgeknickt und hatte sich auf einer Länge von mehreren Metern halb um den Felsen gewickelt. Dieses Stück war übersät von gesplittertem Holz und nadelspitzen Holzfasern, bei deren Anblick meine Hände wie wild zu schmerzen begannen. Der zweite Stamm hatte sich im ersten verhakt, war mit seiner Bruchstelle nach dem Aufprall des Felsens auf die Kalksteinstufe in ihn hinein gefahren und hatte ihn fast gespalten. Wäre ihm das vollständig gelungen, wäre eine Hälfte auf unseren Absatz herabgefallen. Hätte das nicht genügt, uns zu töten – nun – das nachfolgende Wasser wäre sicher gründlich gewesen.
Ich sah den Stamm des ersten Baumes entlang nach oben. Sonnenlicht schien grell durch die Öffnung. Das erste Mal seit mehreren Tagen fühlte ich so etwas wie Wärme. Die Stämme führten mit ihren Spitzen an die gegenüberliegende Seite der Öffnung, vielleicht zehn Meter von der Stelle entfernt, wo das Oberflächenwasser in den See hinabstürzte. Tiefe Rinnen waren in beide Stämme eingeritzt – sicher von unserem Truck, der auf ihnen das erste Stück wie auf Schienen geglitten sein musste. Die Borke der Stämme war glatt, an einigen Stellen durch das Hinabrutschen aber rau genug, um den Füßen Halt zu geben. Trotzdem war die Neigung der Stämme immer noch viel zu steil, um an ihnen hochzuklettern. Die ersten Aststummel kamen nach zehn Metern – unerreichbar aus unserer momentanen Position. Sturgis stand ein paar Minuten herum, an den ersten Stamm gelehnt und sah schweigend nach oben. Ich hatte meine Meinung bereits gefasst.
»Da kommen wir nicht rauf.« Niedergeschlagen sah er mich an.
»Nicht ohne Seil«, stimmte ich zu.
Er setzte sich auf den Felsen und betrachtete einen Moment lang wehmütig die Achse seines Trucks, bis er plötzlich aufsprang, vom Felsen kletterte und vorsichtig in das unruhige Wasser des Sees watete, sich an dem zerschmetterten Metall der Achse festhaltend. » Hier! «, schrie er triumphierend eine Minute später und wedelte mit einem Seil in der einen Hand in meine Richtung.
Ich beeilte mich, vom Felsen herunterzukommen und half ihm wieder herauf. Das Seil war synthetisch und gut fünfzehn Meter lang. Er sah mich auffordernd an. »Zum Festzurren der Ladung. Jetzt gehört es dir, Scotsman!« Ich war bereits am Überlegen und suchte im Kopf nach der Anleitung zur Konstruktion einer Kletterhilfe aus Seilmaterialien.
»Sie haben nicht zufällig ein Messer dabei?«, fragte ich ihn.
Seine Hand fuhr unter das nasse Hemd zum Gürtel. Dann zog er bedauernd die Schultern hoch. »Leider nein.«
»Aye, dann müssen wir es in einem Stück lassen.« Ich rief mir die Abfolge der Schläge und Buchten vor Augen, die ich hintereinander für zwei Klettervorrichtungen in das Seil knüpfen musste, ohne dass wir uns in die Quere kommen würden. Nach mehreren Versuchen hatte ich es, zusätzlich mit zwei Lassoähnlichen Ösen zum zwischenzeitlichen Fixieren unseres Gewichtes an Aststummeln.
»Respekt!«, kommentierte Sturgis das Werk, nachdem ich ihm erklärt hatte, wie es anzuwenden war.
»Kann nützlich sein, wenn man auf hoher See allein auf den Mast eines Segelschiffes klettern muss und niemanden dabei hat, der einen hochzieht«, erläuterte ich zwinkernd.
»Ich gehe vor. Wenn ich den ersten Aststumpen erreicht habe und diese Schlinge um ihn legen kann, kommen Sie nach. Und achten Sie darauf, die Fußschlinge um den Stamm nicht zu verdrehen. Es ist verdammt
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