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Cosm

Cosm

Titel: Cosm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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nämlich auch der Verstand aus der physikalischen Welt. Die primitiven Gehirnstämme und Nervensysteme sind im Laufe der Evolution zunehmend komplexer geworden.«
    Jetzt endlich blickte Alicia auf. Er war erregt, und sie verstand nicht warum. »He, laß das Mediengeschwätz doch einfach an dir ablaufen, alte Ente.«
    »Nein, ich verfolge da eine Idee …«
    Er hielt inne und betrachtete das bunte Farbenspiel an der Oberfläche des Cosm. Die Kugel leuchtete heller denn je, fast grell im Vergleich zu den Sternen, die am filigranen, blauweißen Firmament kreisten. Das andere Ende passierte eben eine molekulare Wolke mit vielen Staubkonzentrationen, die von jungen Sonnen gereizt und zum Glühen gebracht wurden.
    Max schwieg lange, doch plötzlich sagte er: »Mann, wie ich diese scheinheiligen Typen hasse.«
    »Die Geistlichkeit?«
    »Jeden, der die Wissenschaft einengen, der bestimmen will, was sie darf und was nicht. Grenzen werden am besten dadurch definiert, daß man dagegen anrennt. Wir müssen unseren Horizont erweitern, müssen wieder staunen lernen.«
    Sie lächelte. »Demnach wäre ein ›Wow!‹ frömmer als jedes Gebet?«
    Seine Miene heiterte sich auf, und er nickte. »So in etwa. Paß auf – irgendwann vor langer Zeit gab es wahrscheinlich einen Primaten, für den ein Stein, den er in die Luft warf, eine komplizierte Linie beschrieb, chaotisch, schwer zu verfolgen …«
    »Wie kann das sein? Die Bahn ist nicht chaotisch. Sie ist eine einfache Parabel.«
    »Für dich und mich schon. Aber dieser Primat wurde ausselektiert. Er war kein guter Jäger, er traf das Wild nicht, und deshalb mußte er verhungern – oder seine Kinder, was letztlich auf das gleiche hinausläuft.«
    Sie war in Gedanken schon einen Schritt weiter. »Damit bekam ein intuitives Gespür für Ordnung, für Symmetrie, ja sogar für Schönheit durchaus seinen Sinn: es machte die Welt einfacher.«
    »Richtig.« Max beschleunigte seine Schritte, das Licht aus dem Cosm spielte über seine kantigen Züge. »Leichter zu beherrschen, leichter zu bewältigen. Auf lange Sicht finden wir diese eleganten Symmetrien, diese Art von Schönheit sogar in der Mathematik wieder.«
    »Das heißt also, die Mathematik ist nur deshalb imstande, die Welt so unglaublich exakt zu beschreiben, wie es ihr immer unterstellt wird, weil sie aus dieser Welt kommt.«
    Er strahlte. »Verdammt richtig. Eigentlich so selbstverständlich wie die Tatsache, daß ein handgemachter Handschuh auch auf eine Hand paßt.«
    Sie liebte seine flammenden Plädoyers. Er ging noch eine Weile auf und ab und gab unverständliches Gemurmel von sich, und auch Alicia setzte den Gedankengang fort. Worauf wollte das alles denn nun hinaus? Wenn die Wissenschaft nach ästhetischen Prinzipien suchte, die als Kriterien zur Bewertung verschiedener, mathematischer Theorien dienen konnten, dann handelte sie ebenso wie die Urkräfte, die einst die Ebenen Afrikas geformt hatten. Man brauchte also keinen Gott, um den Erfolg der Wissenschaft zu erklären; dazu genügt die Welt allein.
    Aber sie ahnte schon, daß Max sich damit nicht zufriedengeben würde.

 
    4 Das Spektakel lief unermüdlich weiter. Innerhalb seines Bezugssystems näherte sich das Cosm-Universum allmählich dem Alter des unseren. In der schwarzen, sphärischen Linse überstürzten sich die Ereignisse. Die andere Seite des Cosm glitt meistens zwischen den Sternen einer riesenhaften, elliptischen Galaxis dahin. Wo sich die Staubwolken lichteten und zu glühenden, jungen Sternen kollabierten, erhellte sich das nächtliche Himmelsgewölbe, und man sah mit den Teleskopen tiefer hinein. Die Sturzflüge und Drehungen der Galaxien konnte man in Realzeit verfolgen. Im Vordergrund wurden Sterne von den Gravitationskräften herumgewirbelt wie Schneeflocken in einem Blizzard. Dahinter umkreisten ganze Galaxien wie bleiche Vögel einen Sternenhaufen, in dessen Herzen sich die Ellipse befand. Zak und Alicia werteten die Spektren von sehr fernen Galaxien aus und stellten fest, daß sie sich stetig weiter entfernten. Das deutete auf eine Dehnung der Raumzeit hin, wie Hubble sie vor achtzig Jahren entdeckt hatte. Würde das immer so weitergehen? Oder konnte sich die Expansion des neuen Universums auch umkehren? Ein geschlossenes Universum wäre dem Untergang geweiht, denn am Ende würden sämtliche Strukturen zu einer feurigen Masse implodieren.
    Dies war das größte und nach wie vor ungelöste Rätsel unserer eigenen Kosmologie. Wenn genügend Materie

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