Cotton Reloaded - 13: Die Informantin (German Edition)
gehalten. Das Gesicht einer Frau war zur Hälfte zu sehen. »Wo ist das Paket?«, fragte sie.
»Carmen Delgado?«
Die Frau nickte. »Sí , ich bin Carmen Delgado. Und ich sehe kein Paket.«
Cotton hielt seinen Ausweis in die Höhe. »FBI. Öffnen Sie bitte die Tür.«
Aus dem Flur drangen Geräusche nach draußen. Bobby Gold, der sich aus dem Staub machte?
»Öffnen Sie sofort die Tür!«, sagte Cotton mit Nachdruck. »Oder ich muss sie eintreten. Sie behindern eine polizeiliche Ermittlung.«
Carmen Delgado schaute kurz über die Schulter, dann hakte sie die Kette aus und öffnete langsam die Tür. Cotton und Brandenburg drängten sich an der Frau vorbei in den Flur.
»Wo ist er?«, fragte Brandenburg und baute sich bedrohlich vor Carmen Delgado auf. Sie war eine hochgewachsene Frau um die dreißig mit langen dunklen Haaren, die in glänzenden Locken auf ihre Schultern fielen. Obwohl sie nur einen schlichten grauen Trainingsanzug trug und ungeschminkt war, erkannte man sofort, dass sie das gewisse Etwas hatte. Das hatte offensichtlich auch Bobby Gold erkannt.
»Ich weiß nicht, wen Sie meinen«, sagte Carmen Delgado kühl und verschränkte die Arme vor ihrer Brust.
»Verarsch mich nicht, Süße«, knurrte Brandenburg. »Ich spreche von Bobby Gold.«
»Er ist nicht hier.«
»Davon müssen wir uns selbst überzeugen«, sagte Cotton, der bereits einen Blick in die Küche und ins Badezimmer geworfen hatte. Kein Bobby Gold.
»Nur zu«, meinte Carmen Delgado.
»Mami, quiénes son?« Ein Mädchen tapste mit unsicheren Schritten in den Flur. Es war ungefähr vier, mit denselben dunklen Haaren wie seine Mutter. Seine Augen waren weit aufgerissen, ob vor Schreck oder Neugier, konnte Cotton nicht sagen. In der Linken hielt es eine kleine Comicfigur aus Plastik, einen gelben Vogel. Tweety.
»Komm her, Schätzchen«, sagte Carmen Delgado und nahm ihre Tochter in die Arme. »Das sind Polizisten.« Mit dem Mädchen auf dem Arm trat sie ein paar Schritte nach hinten und blieb in der offenen Tür zum hintersten Raum der Wohnung stehen.
»Was ist da?«, fragte Cotton.
»Nur das Wohnzimmer. Es ist leer.«
Ein scharrendes Geräusch war aus dem Zimmer zu vernehmen.
»Gehen Sie zur Seite!«, sagte Cotton zu Carmen Delgado.
Die Frau blieb stehen.
»Ich lauf runter zur Straße!«, rief Brandenburg. »Falls er über die Feuerleiter abhauen will.«
Cotton nickte, drängte sich an Carmen Delgado vorbei und stürmte ins Wohnzimmer. Ein Mann in Jeans und dunkler Kapuzenjacke kletterte gerade durchs Fenster hinaus auf die Feuerleiter. Obwohl er das Gesicht des Mannes nicht sehen konnte, wusste Cotton, dass es sich um Bobby Gold handelte.
Er hob die Waffe. »Keine Bewegung, FBI!«
Gold zögerte, drehte sich kurz um und warf Cotton ein kaltes Lächeln aus schmalen Lippen zu. Dann griff er unter seine Jacke und brachte eine Pistole zum Vorschein.
Cotton feuerte.
Gold schrie auf und stürzte hinaus auf die Leiter. Seine Schultern und sein Kopf waren gerade noch zu sehen.
Cotton richtete seine Waffe neu aus.
»Papa!« Das Mädchen flitzte zum Fenster, streckte die Arme nach seinem Vater aus.
»Rosita, ven pa’ca!« , rief Carmen Delgado voller Verzweiflung, durchquerte das Wohnzimmer mit hastigen Schritten, packte ihre Tochter und zog sie aus der Schusslinie.
Cotton hatte wieder freie Sicht auf das offene Fenster. Doch Bobby Gold war verschwunden.
Cotton fluchte und senkte die Waffe. »Raus mit Ihnen!«, brüllte er in Richtung Carmen Delgado. »Und zwar beide.«
Die Frau schob sich langsam an Cotton vorbei zur Tür, ihre Tochter fest im Arm. »Bitte tun Sie ihm nichts«, flüsterte sie. »Er ist doch ihr Vater.«
»Das liegt nicht bei mir«, entgegnete Cotton, »sondern bei ihm.«
Er ging zum offenen Fenster, die Waffe vor sich gestreckt, stieg hinaus auf die Leiter und schaute sich um. Erhaschte einen Blick auf Bobby Gold, der, halb von den Bäumen verborgen, über die Clinton Street Richtung Hamilton Avenue rannte. Gefolgt von Joe Brandenburg, dessen massige Gestalt mit jeder Sekunde weiter hinter Gold zurückfiel.
Cotton steckte die Waffe ein, flitzte die Leiter hinunter, durchquerte den Innenhof, in den sie mündete, kletterte über die Mauer, die den Hof von der Straße trennte, und gelangte schließlich auf die Clinton. Er war immer gut in Form gewesen, und wie man jemanden zu Fuß verfolgte, hatte er schon an seinem ersten verdammten Tag in New York gelernt, damals, an diesem schicksalhaften Septembertag
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