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vor dem Fernseher
saß.
»Carol, ich muss dir etwas sagen.«
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»Nein, Debby, ich muss dir zuerst etwas
sagen. Ich kann nämlich nicht länger damit
leben und schon gar nicht, damit nach Hause
zu fliegen.«
Erschrocken blickte sie ihre Freundin an.
»Carol, das klingt ja furchtbar. Was ist denn passiert? Hast du ein Problem? Bist du
krank?«
Carol schüttelte peinlich berührt den
Kopf. »Nein, es ist etwas ganz anderes. Als
du nicht da warst, da habe ich doch die Ausstellung besucht, nicht wahr?«
»Ja, richtig. Ich weiß.«
»Und als ich mir gerade ein Bild ansah,
da kam …«
»Kommt schnell ins Wohnzimmer, das
müsst ihr sehen!«, rief Stanley und riss die Küchentür auf. Beide Frauen waren im Nu
auf den Beinen und liefen hinter Stanley ins Wohnzimmer. Dort flimmerte der Fernseher.
Eine Tiersendung lief.
»Da, seht ihr das?«
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Verwirrt blickten die Frauen auf den
Bildschirm. Außer sich im Wasser wälzenden
Krokodilen war nichts zu erkennen. Carol
blickte neben und unter den Fernseher, viel-
leicht befand sich dort eine Spinne, ein
großes Denver untypisches Insekt. Doch
nichts war zu erkennen.
»Mein Gott, Stan! Was ist denn? Ich weiß
nicht, was du meinst!«, reagierte Deborah
genervt.
»Na, da! Dieses riesige Krokodil. Habt ihr
schon mal ein so großes Reptil gesehen?«
Beide Frauen musterten Stanley, wie er
mit offenem Mund vor dem Fernseher stand
und so tat, als würde es ihn brennend in-
teressieren. Das Schlimme daran war, dass
nicht nur Carol ihn durchschaute, sondern
Deborah es wohl ebenso tat.
»Darling, du spinnst. Mach die Glotze
aus und lass mich hören, was Carol mir zu
erzählen hat.«
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»Ach, lass uns doch lieber wieder in die
Küche gehen«, schlug Carol vor, der nicht
sehr wohl bei dem Gedanken war, vor Stan-
ley ihr beider Geheimnis auszuplaudern.
»Nein, ich will es hier und jetzt wissen!«,
beharrte Deborah.
Carol blickte kurz zu Stanley, der den
Fernseher tatsächlich ausschaltete und sich
von oben in eine Sofaecke fallen ließ. Er
schlug die Beine übereinander und legte den
Kopf schief. Deborah setzte sich auch und
bedeutete Carol, es ihr gleich zu tun. Nur ungern leistete Carol Folge, doch sie tat es.
Allerdings ließ sie ein wenig Abstand zu De-
borah, befürchtete Carol doch, ihre Freundin könnte ausholen und ihr eine knallen, was
durchaus gerechtfertigt wäre. Gut, dass Carol den Koffer schon gepackt hatte, denn der
Rauswurf würde in Sekundenschnelle über
die Bühne gehen.
»Ich habe Gewissensbisse«, stieß Carol
hervor. Sie hörte, wie Stanley in seiner Ecke 135/520
tief durch die Nase atmete. »Ich habe, das
heißt, wir haben … Also, ich habe, denn ich
rede ja jetzt eigentlich nur von mir, denn,
was andere tun, egal, ob sie mitschuldig sind oder nicht, ist ja egal, denn …«
»Carol, bitte! Was willst du mir sagen?
Ich mag es nicht, ewig warten zu müssen.
Sag es frei heraus. Jetzt bitte auf den
Punkt!«
»Ich hatte mit Stanley Sex!«, platzte
Carol heraus.
Stanley blieb ungerührt sitzen. Deborah
blickte sie noch immer erwartungsvoll an, es sickerte wohl ganz langsam in ihr Gehirn,
was diese Aussage für eine Bedeutung hatte.
Gebannt starrte Carol zu Deborah
hinüber und war auf alles vorbereitet, nur
nicht auf diese Reaktion: Deborah fing an zu lachen. Sie lachte und lachte. Irgendwann
liefen ihr die Tränen über die Wangen und
sie lachte noch weiter. Carol dachte, dass sie jetzt gleich völlig durchdrehen und schreien, 136/520
wüten und in Ohnmacht fallen würde. Doch
nichts dergleichen geschah. Stattdessen ber-
uhigte sie sich einigermaßen und brachte
unter einigen Lachsalven hervor: »Das ist
super! Das ist toll! Ich habe mich nämlich in einen anderen Mann verliebt und wusste
nicht, wie ich es Stan sagen sollte. Ich traute mich nicht, die Hochzeit platzen zu lassen.
Oh Mann, das ist fantastisch – das ist
märchenhaft!«
Carol, die Stanley bisher nur aus den Au-
genwinkeln sehen konnte, blickte nun ganz
zu ihm hinüber. Sein Gesicht hatte nur noch
eine blassrosa Färbung, und er beugte sich
im Sofa nach vorne. »Du hast dich in einen
anderen
Mann
verliebt?«,
fragte
er
ungläubig.
Deborah nickte und wischte sich die
Lachtränen weg. Dabei benutzte sie einen
Taschenspiegel.
»Und wann, wenn man fragen darf?«
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»Ach, das ist schon eine Weile her. Seit
vielleicht fünf Monaten.«
»Fünf Monate?« Stanley erhob sich. »So
lange machst
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