Cowboy - Riskanter Einsatz
Auto saß. Sie konnte auch hören, wie die Stimmung umschlug, wie aus höhnischem Gelächter mörderisches Wutgebrüll wurde. Und sie wusste, dass Andy Gefahr lief, gleich nach Strich und Faden vermöbelt zu werden.
Sie bog hastig nach links in die Huntington Street ab, dann wieder links und damit entgegen der Fahrtrichtung in die Parkplatz-Ausfahrt. Dabei betätigte sie unablässig die Hupe.
„Hey!“, rief sie aus ihrem Autofenster. „Ihr da! Aufhören! Hört sofort auf, euch zu prügeln! Auf der Stelle]“
Einer der älteren Jungen – Alex Parks – versetzte Andy einen so heftigen Schwinger, dass Melodys Zähne schon aus Mitgefühl schmerzten. Dann drehten er und sein Freund sich um und rannten davon.
Während Melody sich noch abmühte, aus dem Wagen zu steigen, versuchte Andy ebenfalls fortzulaufen, aber er kam nicht auf die Beine. Es gelang ihm nur mit Mühe, sich auf Hände und Knie aufzurichten, und so blieb er im Gras hocken.
„Oh, Andy!“ Melody kauerte sich neben ihn. „Mein Gott! Wie geht es dir?“
Sie streckte die Hand nach ihm aus, aber er zuckte zurück, und sie ließ sie wieder sinken.
Seine Knie und Ellenbogen waren aufgeschürft, seine Nase blutete heftig. Eine tiefe Schramme zierte seine Wange unter dem linken Auge, die Lippen waren aufgeplatzt und schwollen bereits an. Seine Haare waren zerzaust, Erde und Gras hingen darin, und sein T-Shirt war zerrissen und blutbefleckt.
Der letzte Schlag hatte ihn böse erwischt. Er rang nach Atem, während ihm Schmerzen und Demütigung Tränen in die Augen trieben.
„Gehen Sie weg!“, knurrte er. „Lassen Sie mich in Ruhe!“
„Das kann ich nicht!“, erklärte Melody knapp. „Wir sind nämlich Nachbarn. Und hier in Appleton kümmern sich Nachbarn umeinander.“
Sie setzte sich im Schneidersitz ins Gras und musste schon wieder gegen eine Welle der ihr ach so vertrauten Übelkeit kämpfen. Wenigstens saßen sie hier im Schatten.
Andy untersuchte die Uhr, die er an seinem dünnen Handgelenk trug. Er strich mit dem Finger über das Uhrenglas und hielt sie dann ans Ohr, um zu horchen, ob sie noch tickte.
„Ist sie kaputt?“, fragte Melody.
„Warum interessiert Sie das?“, höhnte er.
„Na ja, dir scheint deine Uhr wichtiger zu sein als der Umstand, dass du blutest. Deshalb dachte ich …“
„Sie sind die unverheiratete Mutter, richtig?“
Melody wollte nicht auf seinen Ton eingehen. Er war absichtlich unhöflich, um vor ihr zu verbergen, dass er kurz davor stand, in Tränen auszubrechen. Sie ignorierte sowohl die Unhöflichkeit als auch die drohenden Tränen. „Wenn du so fragst – ja, genau die bin ich. Ich heiße Melody Evans und wohne gleich neben den Romanellas. Wir sind uns letzte Woche begegnet, als Vince und Kirsty dich mit nach Hause gebracht haben.“
Er setzte sich auf, immer noch nach Luft ringend. „Wissen Sie, die reden über Sie. Die rätseln, wer Ihnen ein Baby gemacht hat. Jeder in der Stadt spricht über Sie. Andauernd.“
„Außer wenn sie über dich reden“, korrigierte Melody. „Du und ich, wir beide sorgen ganz gut dafür, dass der Stadt der Gesprächsstoff nicht ausgeht, nicht wahr? Ein Pflegekind aus der großen, bösen Stadt, das Rasenmäher in die Luft jagt. Wahrscheinlich werden bereits Wetten darauf abgeschlossen, wie lange es wohl dauern wird, bis die Polizei deinetwegen aktiv wird.“
Ihre direkten und ehrlichen Worte überraschten ihn so sehr, dass er sie tatsächlich ansah. Einen Moment lang schaute er ihr in die Augen. Seine eigenen waren braun und blickten zornig – viel zu zornig und verbittert für einen Zwölfjährigen. Dann wandte er den Blick wieder ab.
„Zur Hölle mit denen“, stieß er hervor. „Ich bleibe sowieso nicht lange hier.“
Melody tat überrascht. „Wirklich? Vince hat mir erzählt, dass du mindestens bis nächsten September bei ihm und Kirsty bleiben wirst. Also fast ein ganzes Jahr.“ Sie suchte in ihrer Handtasche nach Papiertaschentüchern und wünschte, sie hätte eine Dose Gingerale dabei. Wenn sie schon versuchte, sich mit diesem Jungen anzufreunden, würde es nicht gerade hilfreich sein, sich auf ihn zu übergeben.
„Ein Jahr.“ Andy schnaubte verächtlich. „Na klar doch. In einem Monat bin ich wieder weg. Ach was, in einer Woche. Die meisten halten es sowieso nicht länger aus mit mir.“
Melody reichte ihm einen Packen Papiertaschentücher für seine Nase. „Tja, vielleicht solltest du es mal mit einer anderen Mundspülung versuchen.“
In
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