Cowboy - Riskanter Einsatz
etwas anderes, ausgeprägt Unangenehmes: Angst. Ja, er konnte sich die Zeit nehmen und sie davon überzeugen, dass sie keine andere Wahl hatten, als zu heiraten. Aber was würde eine solche Ehe für ihn bedeuten?
Plötzlich hätte er eine Frau und ein Baby am Hals. Kette und Kugel. Gefesselt, gefangen, aus dem Verkehr gezogen, außer Betrieb genommen. Ehemann und Vater. Er hatte nie geglaubt, eine dieser Rollen jemals spielen zu können.
Aber er hatte keine andere Wahl. Nicht wenn er in der Lage bleiben wollte, sich selbst in die Augen zu schauen.
Cowboy atmete tief ein. „Mel, warte.“
Sie drehte sich halb um, blickte ihn misstrauisch an.
Cowboy stand nicht auf. Er wusste, wenn er jetzt eine falsche Bewegung machte, würde sie die Treppe hinauffliehen. Verdammt, sie hatte solche Angst vor ihm! Und davor, dass die Funken, die zwischen ihnen sprühten, das Feuer wieder entfachen könnten.
Dennoch – es war ihm schließlich schon einmal gelungen, ihr Vertrauen zu gewinnen, und zwar unter weit schwierigeren Bedingungen. Er konnte es wieder schaffen. Nein, er musste es einfach wieder schaffen! Mochte es auch noch so schwer sein, mochte er selbst auch noch so sehr von Furcht erfüllt sein. Diese Angelegenheit war einfach zu wichtig für ihn.
Er holte tief Luft. „Was hältst du davon, wenn ich dir verspreche …?“ Was? Dass er sie nicht in seine Arme ziehen würde? Nicht versuchen würde, sie zu küssen? Er brauchte beides so dringend wie die Luft zum Atmen. Entsprechend schwer würde es ihm fallen, Abstand von dieser Frau zu halten, aber er hatte nun mal keine andere Wahl. Es würde wehtun, aber er hatte schon öfter Dinge tun müssen, die ihm schwerfielen und wehtaten. „Was hältst du davon, wenn ich dir schwöre, dass ich dich nicht anfasse? Du sagst, wie viel Abstand ich halten soll. Einen halben Meter, einen Meter, zwei – ganz wie du willst – ‚und ich verspreche dir, dass ich nicht näher kommen werde.“
Sie war nicht überzeugt. Er konnte sehen, dass sie drauf und dran war, das Angebot zurückzuweisen, aber er ließ sie nicht zu Wort kommen.
„Ich verspreche außerdem, dass ich heute Abend keine belastenden Themen wie Heirat, Verpflichtungen, Verantwortung oder Ähnliches ansprechen werde. Wir sprechen heute Abend über etwas ganz anderes. Wir reden über …“ Er griff nach Strohhalmen, aber noch hatte sie das Zimmer nicht verlassen. „Über Andy Marshall, in Ordnung? Wir überlegen uns, was wir seinetwegen unternehmen.“
Sie wandte sich ihm ganz zu. „Was können wir denn unternehmen?“
Cowboy wusste längst, wie er mit Andy verfahren wollte: sehr direkt, skrupellos und gnadenlos. Er hatte vorgehabt, später Vince Romanella anzurufen und ihn um Erlaubnis zu bitten, einen Teil des morgigen Tages mit dem Jungen zu verbringen.
Aber warum warten? Er könnte Andy seine Lektion auch schon heute Abend erteilen.
„Es gibt im Wald einen Platz, oben beim alten Steinbruch“, erzählte er Melody in der stillen Hoffnung, dass sie sich wieder an den Tisch setzen würde, „wo ständig leere Bierflaschen und Zigarettenstummel rumliegen. Ich vermute, Andy wollte mit seinem Sechserpack dorthin.“
Melody setzte sich tatsächlich wieder, und Cowboy musste sich gewaltig zusammenreißen, um keine Reaktion zu zeigen. Wenn er jetzt nicht cool blieb, würde sie ihm davonlaufen.
„Ich kenne den Platz, von dem du sprichst“, sagte sie. „Das war schon ein beliebter Platz zum Abhängen, als ich noch zur Highschool ging. Aber Andy ist erst zwölf. Er wäre dort nicht gerade willkommen.“
„Doch, wäre er – mit einem Sechserpack Bier unterm Arm.“
„Aber warum um alles in der Welt sollte er sich mit Oberstufenschülern anfreunden wollen?“, zweifelte Melody.
„Der Junge, mit dem er sich ständig prügelt“, fragte Cowboy, „wie heißt der noch gleich? Parks?“
„Alex Parks.“
„Der geht erst in die neunte oder zehnte Klasse, richtig?“
Melody nickte. Sie sah ihm tatsächlich in die Augen. Sie saß tatsächlich ihm gegenüber und redete mit ihm. Natürlich war ihm bewusst, dass er nur einen kleinen Sieg errungen hatte, aber das war allemal besser als nichts.
„Siehst du“, fuhr er fort. „In meinen Augen ist das eine gut durchdachte Strategie. Freunde dich mit Leuten an, die deinen Feind schlagen oder doch zumindest unter Kontrolle halten können. Andy ist nicht dumm.“
„Dann wäre das Sechserpack als Bestechung gedacht gewesen, eine Opfergabe an die Götter sozusagen. Andy
Weitere Kostenlose Bücher