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CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)

CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)

Titel: CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martyn Bedford
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Geheimnis seiner wahren Identität verbergen musste.
    Eigentlich ziemlich spannend, wenn man es so betrachtete.
    Aber das gelang Alex nicht. Er konnte sein Leben nicht als Abenteuergeschichte leben. Dieses Leben war kein Drehbuch. Es war die Wirklichkeit. Und er war damit total überfordert.
    Im Film wäre der Agent sorgfältig auf seinen Einsatz vorbereitet worden. Ausgestattet mit einem Dossier an Informationen, mit der Anweisung, sich jede Einzelheit seiner eigens für ihn geschaffenen Identität einzuprägen. Nach Wochen intensiven Trainings   – Einsatzbesprechungen, Tests, Rollenspiele   – hätte er seine falsche Identität so gut gekannt wie seine echte. Man hätte ihn erst auf die Welt losgelassen, wenn er auf jede argwöhnische Frage und jede knifflige Situation hätte reagieren können, ohne Verdacht zu erwecken oder enttarnt zu werden.
    Alex hatte keine solche Vorbereitung genossen. Er wareinfach eines Morgens aufgewacht und steckte seitdem in einem Leben fest, das nicht seines war. Er musste gezwungenermaßen jeden Tag dazulernen, was es bedeutete, Philip Garamond zu sein. So mogelte er sich durch Flips Leben: ein unaufhörlicher Drahtseilakt aus Stegreiflösungen, Improvisationen, Bluffereien und Lügen. Bis jetzt war er damit durchgekommen, aber nur deshalb, weil die Wahrheit zu absurd war, als dass irgendjemand aus Flips Umgebung auch nur im Traum darauf gekommen wäre. Sie wussten zwar nicht immer genau, was sie mit dieser Version von Flip anfangen sollten, aber für sie war er trotzdem Flip. Ein manchmal reichlich merkwürdiger Flip, aber doch ihr Flip. Dafür brauchten sie ihn ja nur anzuschauen.
    Dennoch hätte Alex nichts gegen eine kleine Vorwarnung gehabt. Etwas Zeit, um sich auf seine neue Rolle vorzubereiten, sich die Figur anzueignen.
    Ein paar Kricketstunden wären auch nicht verkehrt gewesen. Denn jetzt stand er da, vor dem Netz, und wartete darauf, dass ihm der erste Ball zugeschleudert wurde. Zumindest wusste er jetzt, was mit
Batsman
gemeint war. So etwas Ähnliches wie eine Schießbudenfigur auf dem Rummel. Nur dass hier nicht auf Pappkameraden gezielt wurde, sondern auf Sportler. Wie war er bloß hierhergekommen   …
    Auf dem Weg zur Schule hatte Alex die Abkürzung zwischen Sportplatz und Turnhalle genommen. Das war der erste Fehler. Ohne darauf zu achten, was um ihn herum vorging, dachte er praktisch die ganze Zeit an seinenMailwechsel mit David. Darum bekam er auch nicht gleich mit, dass jemand ihn rief. Beziehungsweise Flip rief. Er drehte sich um   – der zweite Fehler. Auf dem Spielfeld stand ein Lehrer in Kricketklamotten und winkte ihm. Erst jetzt sah Alex die anderen Jungs und hörte das typische
Plock Plock
(obwohl man das bestimmt schon die ganze Zeit gehört hatte) der geschlagenen Bälle. Zwei Jungen warfen die Bälle, zwei waren am Schlagen und die anderen schlenderten hin und her und warteten darauf, dass sie drankamen. Ihre Trikots leuchteten in der Nachmittagssonne cremeweiß vor dem grünen Rasen. Es roch nach Blütenstaub und frisch gemähtem Gras. Der Lehrer trabte auf ihn zu.
    »Wo bleibst du denn?«, fragte er. Er hatte diese Du-hättest-mich-vor-zehn-Jahren-und-vor-fünfzehn-Kilos sehen-sollen-Ausstrahlung. Haare, Augenbrauen, der dichte Pelz auf den Unterarmen, alles ausgebleichtes Sommerblond. Seine Aussprache klang nach Südafrika. »Und wo sind deine Sachen?«
    »Ich, äh   … die sind in meinem Spind.«
    Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Noch ein Problem. Noch eine Rolle, die er spielen musste. In Alex’ Kopf war nur Platz für David. Für diese Mail, die sich wie ein Mantra ständig wiederholte.
    Das ist unmöglich .
    Unmöglich .
Nachdrücklich unterstrichen.
    »Na schön, dann musst du halt in Schuluniform spielen. Hast du wenigstens Turnschuhe dabei?«
    »Auch vergessen.«
    »Herrgott noch mal, Flip. Mal sehen, ob dir jemand welche leihen kann.« Der Lehrer ging mit großen Schritten auf das Netz zu und drehte sich noch einmal kurz zu Alex um: »Welche Größe hast du?«
    »Keine Ahnung. Es sind nicht meine Füße.«
    Ein oder zwei Jungen in Hörweite lachten. Der Lehrer nicht. »Pass mal auf«, sagte er scharf, »du kommst zu spät, du hast deine Sachen vergessen   … Ich rate dir dringend davon ab, auch noch den Witzbold zu spielen, klar?«
    So kam es, dass Alex jetzt in geborgten Turnschuhen, mit Schienbeinschonern, Handschuhen und Unterleibsschutz aus der Grabbelkiste hier stand, nicht wusste, was er tun und wie er den Schläger halten

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